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Todesflirt

Todesflirt

Titel: Todesflirt
Autoren: Bettina Broemme
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die immer wieder aufgetaucht, haben ihn in Konzerte mitgenommen, ein Bier spendiert. Dass sie ständig über Ausländer und angebliche Sozialschmarotzer geschimpft haben, hat Malte nur ganz am Anfang irritiert. Dann fand er das ganz cool. Auch weil die Treffen konspirativ waren, sogar die Konzerte. Da hat er immer erst im letzten Moment erfahren, wo er hinmusste. Plötzlich war er es, der Insiderwissen hatte. Er hat sich viel stärker gefühlt. Seine neuen Freunde sind manchmal an seiner Schule aufgetaucht, um ihn spontan mitzunehmen. Die sahen ganz schön Furcht einflößend aus, große, kräftige Kerle mit dicken Oberarmen, schwarzen Klamotten und so. Und plötzlich hat Malte gemerkt, dass ihn seine Klassenkameraden respektieren. Keiner hat ihn mehr verarscht, im Gegenteil, die hatten fast Angst vor ihm. Malte ist total aufgeblüht. Er ist irgendwann nur noch mit denen abgehangen. Die ›Kameradschaft‹ sei so toll, hat er geschwärmt. Keiner lässt den anderen hängen, alle sind wie Brüder, die hören ihm zu. Sie stehen füreinander ein, hat er gesagt. Wenn da mal einer Scheiße baut, wird er von den anderen nicht gleich hingehängt und den Bullen verraten. Nach der zehnten Klasse, er hat den Realschulabschluss gerade noch so hinbekommen, hat ihm dann einer seiner Kameraden eine Ausbildungsstelle zum Schreiner angeboten. Da war er 18. Sein Onkel habe irgendwo in Meck-Pomm eine Schreinerei und bilde gerne treue und aufrechte Kameraden aus, die der Neffe ihm vorbeibrächte. Malte hat nicht lange überlegt. Endlich würde er von daheim wegkommen. Kein Genöle von den Eltern mehr, keiner mehr, der sich über seine Glatze, die Springerstiefel und die Bomberjacke aufregt und doofe Fragen stellt. Als er dann tatsächlich weg ist – mit so einem Seesack über der Schulter, darin nur Klamotten, seine unsäglichen Landser-CDs und ein paar schreckliche Hefte, war ich fast erleichtert. An dem Tag ist er für mich gestorben. Hab ich gedacht.«
    »Und deine Eltern?« Ich spüre, wie mir vor Anspannung der Nacken schmerzt, und lege mich neben sie ins Gras, den Kopf auf dem Arm abgestützt.
    »Die haben nur gesehen, dass der Junge eine Lehrstelle hat – alles andere war ihnen egal. Und sie waren froh, dass er ihnen nicht mehr auf der Tasche liegt.
    Ich glaube, in diesem Kaff in Meck-Pomm, wo er dann hingekommen ist, ging voll der Punk ab. Da haben extrem viele Rechte gewohnt, die haben ganz offen ihre Gesinnung zur Schau gestellt. Die haben so germanische Rituale und Feste wieder aufleben lassen, Sonnwendfeuer und so Sachen. Und der Lehrmeister von Malte, das muss so ein Obernazi gewesen sein. Der saß sogar für die NPD im Landtag. Und der hat seinen Laden geführt wie ein SS-Obersturmbannführer. Der hat die Azubis getriezt, gequält, niedergemacht. Nach einem halben Jahr hat’s Malte nicht mehr ausgehalten und ist abgehauen.«
    »Und hat er da nicht die ersten Zweifel bekommen?«
    »Kann ich nicht sagen. Jedenfalls hat er sie noch nicht zugelassen. Er ist dann zurück nach Hamburg, aber unsere Eltern haben ihn nicht mehr einziehen lassen. Das war echt krass. Der stand nachts um zwei vor der Tür, im strömenden Regen, und mein Vater hat gesagt, er kenne ihn nicht und er solle hier nie wieder klingeln. Meine Mutter hat geheult, aber kein Wort gesagt. Ich hab meinen Vater angebrüllt, dass könne er nicht machen, aber er hat mich komplett ignoriert, hat die Haustür zugemacht, abgeschlossen und ist wieder ins Bett. Danach haben wir erst mal, na ja, zwei Jahre nichts von ihm gehört. Alles, was dann passiert ist, habe ich erst erfahren, als er schon ausgestiegen war. Und natürlich auch ein bisschen was von Robin.«
    »Warst du echt mit Robin zusammen?« Sie nickt, streichelt mechanisch mit dem Daumen der einen Hand über die Kuhle zwischen Daumen und Zeigefinger der anderen.
    »Jedenfalls«, sie strafft sich ein wenig, fährt sich durchs Haar. »Jedenfalls ist Malte dann in der WG untergekommen. Die war in Bramfeld, das liegt im Nordosten von Hamburg, da ist nicht viel los, außer dass da die Zentrale vom Otto-Versand liegt. In so einem braunen Klinker-Bunker hatte da einer eine Vier-Zimmer-Wohnung angemietet und da konnten immer irgendwelche Kameraden unterkriechen. Na ja, und da hat Malte dann Thor kennengelernt.«
    »Torsten?«
    »Genau, so heißt er eigentlich. Aber er hat sich nur mit Thor anreden lassen. Ich meine, du hast ihn ja erlebt. Der ist schon so ein charismatischer Typ. Er war da der Chef, er hat gesagt,
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