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Todesflirt

Todesflirt

Titel: Todesflirt
Autoren: Bettina Broemme
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Regine tuschelten wie immer. Ihre fast identischen Bobfrisuren in Kupferrot und Hellbraun berührten sich an den Spitzen. Die Schneider versuchte zu zählen, ob alle ihre 25 Schäfchen auch hier waren, während David und ich allen Kindern, die nass geworden waren, halfen, ihre Klamotten aus- und die Wechselwäsche anzuziehen, die in meinem großen Rucksack steckte. Mein Magen knurrte, ich war nass und die Kinder hatten nur Unfug im Kopf. Sie bewarfen sich mit nassen Hosen und T-Shirts, versuchten, sich Heu in die Krägen zu stopfen, und kletterten auf uns herum, als seien wir Spielgeräte. David warf mir gelegentlich ein Grinsen zu und ich bewunderte wieder einmal seine Geduld. Er war noch nicht allzu lange als »Bufdi« in unserer Einrichtung dabei, aber dass er ein Händchen im Umgang mit den Kindern hatte, war schnell klar geworden. Dabei machte er gar nichts Besonderes. Er saß einfach da, hörte ihnen zu, gab Tipps, wenn er gefragt wurde, und manchmal kitzelte er sie durch. Die Kinder liebten ihn – die Jungs wollten mit ihm Fußball spielen, die Mädchen ihn in der Puppenküche bekochen. David machte alles mit. Vielleicht war er auch so begehrt, weil er erstens das einzige männliche Wesen innerhalb der Kindergartenmauern und zweitens nicht ständig da war. Der Verein, der mehrere Kindergärten betrieb, hatte ihn über den »Bundesfreiwilligendienst« für leichtere Hausmeisterjobs und als Springer eingestellt, weil ständig irgendeine Erzieherin krank, schwanger, auf einem Seminar oder im Urlaub war.
    Nachdem sich Annegret, eine beliebte und erfahrene Erzieherin in unserem Kindergarten, das Sprunggelenk gebrochen hatte und mehrere Wochen ausfiel, war David nun regelmäßig bei uns. Ich selbst machte seit neun Monaten im »Springseil e. V.« mein freiwilliges soziales Jahr.
    Nach dem Abitur hatte ich nicht so genau gewusst, was ich machen sollte, und so kam ich auf die Idee, ein FSJ zu machen. Vielleicht würde mir danach klar sein, ob ich Jura studieren sollte oder doch lieber Psychologie (wofür ich dann immerhin schon zwei Wartesemester vorzuweisen hätte) oder vielleicht Journalismus. Gut, dass ich noch ein Vierteljahr Zeit zum Überlegen hatte …
    Meine Eltern, meine Schwester, Max, mein Liebster, und meine Freunde nahmen meine Entscheidung für das FSJ so auf, als stünde sie schon seit spätestens dem Ende des vierten Schuljahres fest. Hätte ich gesagt, ich studiere BWL, wäre für sie alle eine Welt zusammengebrochen. Nein – Tabea wird etwas Soziales machen, das war allen klar. Okay, mir eigentlich auch. Schließlich ist die Welt, in der wir leben, nicht die allerbeste, die man sich vorstellen kann. Aber wenn jeder von uns ein klein wenig dazu beiträgt, sie besser zu machen, dann wird sie auch besser – meine Meinung!
    Max hielt mich für eine Sozialromantikerin, unverbesserlich, aber auch unwiderstehlich, wie er, zumindest am Anfang unserer Beziehung vor gut eineinhalb Jahren, immer gerne in mein Ohr säuselte.
    Jetzt allerdings flüsterte David: »Schau mal, wie raffiniert Hannah ist.« Er kicherte. »Erst steckt sie Berivan Heu ins T-Shirt, und während die das Zeug wieder rausholt, bedient sich Hannah aus Berivans Brotzeitdose.«
    »Hey«, lachte ich zurück. »Du hast das Wort ›Brotzeit‹ schon gelernt – super!« Er knuffte mich in die Seite. Wir saßen an die Wand des Schobers gelehnt, hörten den Wind durch die Ritzen sausen, die Tropfen anklopfen und beobachteten, wie weltvergessen die Kinder durchs Heu tobten. David stammte aus Norddeutschland, woher genau, wusste ich nicht, und war mit der bayerischen Sprache alles andere als vertraut. Obwohl München ja die Welthauptstadt der »Zuagroasten« ist, rieben wir ihm alle seine Sprachunkenntnis ziemlich häufig unter die Nase und ließen ihn gerne an Wörtern wie »Oachkatzlschwoaf« verzweifeln. Er hatte zwei Tage gebraucht, um herauszufinden, dass das »Eichhörnchenschwanz« bedeutete, und jetzt trainierte er emsig und ziemlich vergebens eine korrekte Aussprache.
    »Ochkootzlschwoof«, versuchte er es gerade mal wieder und ich lachte laut heraus. David griff nach einer Handvoll Heu und bewarf mich damit.
    »Ha’k ’n Hark hatt, ha’k harken künnt«, rief er dabei aus und ich begann noch mehr zu kichern. Was sollte das denn für ein Kauderwelsch sein?
    Während er mir diverse Strohhalme aus dem Haar zupfte, verriet er es: »Wenn ich eine Harke hätte, hätte ich harken können. So redet man bei uns.« Ah so.
    »Heimweh nach zu
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