Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesflirt

Todesflirt

Titel: Todesflirt
Autoren: Bettina Broemme
Vom Netzwerk:
Hause?«, fragte ich und mir wurde klar, dass wir uns bisher noch nie über persönliche Dinge unterhalten hatten. Sein immer leicht melancholischer Blick aus den großen Augen wurde wieder ernst. Dann schüttelte er energisch den Kopf, als müsse er eine lästige Fliege verscheuchen.
    »Nee«, sagte er knapp. »Überhaupt nicht.«
    »War’s nicht schön, da wo du herkommst?«
    »Bayern gefällt mir jedenfalls besser«, sagte er. Dann pflückte er einen weiteren Halm von meinem Haar und kitzelte mich damit an der Nase. Ich musste tatsächlich niesen und er lachte. Da klaubte ich Heu auf und bewarf nun ihn damit.
    Wir vergaßen, dass wir nicht zu den Kindergartenkindern gehörten. Ich fühlte mich leicht und unbeschwert auf dem Gipfel des Heuberges. Wir stolperten und torkelten, schubsten und bewarfen uns. Ich bekam fast keine Luft mehr, so sehr musste ich lachen.
    »Spielstopp«, rief ich, aber er zog mir ein Bein weg. Ich plumpste ins Heu, kullerte seitwärts und donnerte gegen die Bretterwand. Autsch, das war mein Kopf gewesen! David war sofort neben mir. Als sei ich einer unserer Schützlinge, streichelte er mir übers Haar und pustete sogar.
    »Entschuldigung, das wollte ich wirklich nicht«, sagte er bestürzt und sah richtig besorgt aus. »Ich wollte …«
    »... du wolltest nur spielen«, presste ich hervor und konnte schon wieder grinsen. Er lachte nicht zurück. Sein Blick ließ meinen nicht los. Seine Finger strichen noch immer durch mein kurzes, kräftiges dunkles Haar. Das Schreien der Kinder um uns herum wurde immer leiser, die Hütte immer dunkler. Das einzige Licht strahlte aus seinen Augen direkt in meine. Seine Nase war schmal und lang, die Linien seiner Lippen sehr fein. Er hatte glatte Haut, von Bartwuchs war kaum etwas zu sehen. Ohne zu überlegen, strich ich mit dem Zeigefinger über seine Wange. Fühlte sie sich so glatt an, wie sie aussah? Ich fuhr die Konturen seines Gesichtes ab und er schloss die Augen. Frisch fühlte er sich an und er roch wie vom Wind gelüftete Wäsche. Trotz unseres Laufs vorhin. Meine Finger konnten die Wanderung nicht unterbrechen. Sie strichen über seine zarten, zitternden Augenlider. Sie zogen ein wenig an den störrischen Locken, dann schlossen sie sich, bildeten eine Kuhle und legten sich um sein Kinn. Im Gleichklang näherten sich Hand und Kinn meinem Gesicht. Seine geschlossenen Augen kamen immer näher, ich schloss meine und nun fühlte ich seine Fingerkuppen mein Gesicht berühren. Behutsam, langsam, sanft. Eine Gänsehaut überlief mich. Dann waren die Finger weg. Und seine Lippen da. Auf meinen. Mein Gott, war das schön. Diesmal fuhr der Blitz direkt in mich. Er tastete mit seinem Mund meinen ab. Stückchen für Stückchen. Bitte, hör nie wieder damit auf, flehte ich innerlich. Dann kitzelte mich seine Zunge an den Mundwinkeln.
    Komm, dachte ich, komm nur … Sterne explodierten, Welten verglühten, die Zeit kollabierte. Mir war es egal. So hatte mich noch nie jemand geküsst. Dieser Kuss war wie ein Geschenk, das man ein Leben lang nicht vergisst.
    Draußen schrie die Schneider mit ihrer spitzen, dünnen Stimme und drängte die Kinder zum Aufstellen in Zweierreihen. David schob mich langsam von sich, ich öffnete die Augen und schloss sie gleich wieder.
    »Noch mal«, flehte ich, aber David richtete sich schon auf und zog mich am Arm mit nach oben.
    »Ach, da seid ihr«, brüllte Jessica herüber, sodass sich alle Köpfe zu uns drehten. »Hast du ’ne Heuallergie, Tabea? Du bist so rot im Gesicht!«
    Ich schüttelte wortlos den Kopf. Ich wollte, dass alle jetzt sofort weggingen und nur wir zwei hierblieben, um durch den Heuschober zu tanzen. Doch leider mussten wir mit.
    »Ich sag dem Max nichts«, zischte mir Regine im Vorbeigehen zu und stieß mit ihrer ausladenden Hüfte gegen meine. Es klang wie eine Drohung. Ich zuckte die Schultern.
    »Was willst du ihm nicht sagen?«, tat ich leichthin, aber sie zog nur verschwörerisch die Augenbrauen hoch.
    Das Gemecker einiger besorgter Eltern war an mir abgeprallt wie ein Flummi an der Zimmerdecke. Die Kinder kicherten und plapperten durcheinander und versuchten, Mama und Papa das Abenteuer »Gewitter« genauestens zu erklären. Und auch ich stand da und suchte nach einer Erklärung. Wieso hatten wir uns geküsst? Während der Fahrt mit der S-Bahn beobachtete ich ihn. Er saß zwischen den Kindern, sie turnten auf den Sitzen und auf ihm herum, er ermahnte sie sanft, machte sie auf seine Beobachtungen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher