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Die Kinder des Dschinn. Gefangen im Palast von Babylon

Die Kinder des Dschinn. Gefangen im Palast von Babylon

Titel: Die Kinder des Dschinn. Gefangen im Palast von Babylon
Autoren: P. B. Kerr
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Die Dschinn, die aus der Kälte kamen

    »Ich will als Hexe gehen«, sagte Philippa. »Mit vielen Warzen.«
    »Und ich als Vampir«, sagte John. »Mit richtigem Blut an den Zähnen.«
    »Ihr wisst beide, dass das nicht in Frage kommt«, sagte ihre Mutter kurz.
    »Jedes Jahr der gleiche Streit«, seufzte John. »Ich verstehe nicht, Mum, was du dagegen hast. Halloween ist doch ein harmloser Spaß.«
    John und Philippa Gaunt wohnten in der East 77 th Street Nummer 7 in New York. Sie waren Zwillinge, und wie alle anderen Kinder liebten sie den Brauch, an Halloween von Tür zu Tür zu gehen und um Geld oder Süßigkeiten zu bitten. Aber gleichzeitig waren sie auch Dschinn, die mit außergewöhnlichen Kräften Außergewöhnliches tun konnten – zum Beispiel, jemandem drei Wünsche gewähren. Zumindest konnten sie das, solange das Wetter warm war. Dschinn sind aus Feuer gemacht, deshalb können sie Kälte nicht ausstehen, und junge, unerfahrene Dschinn wie John und Philippa sind bei kaltem Wetter so gut wie machtlos. Deshalb sind Dschinn eher in heißen Wüstenländern anzutreffen. Im Sommer ist es in New York zwar heiß, die Winter aber sind sehr kalt und schon Ende Oktober wird es ziemlich frisch. In diesem Jahr jedoch war es an Halloween ungewöhnlich warm für die Jahreszeit. NachdemMrs   Gaunt – selbst ein Dschinn – ihren Kindern verboten hatte, mit ihren Freunden von Haus zu Haus zu ziehen, machte sie ein Versöhnungsangebot.
    »Hört mal«, sagte sie, »wollen wir nicht das warme Wetter nutzen und in den Central Park gehen? Ihr könntet euch jeder in ein Tier verwandeln – damit ihr in Übung bleibt. Es ist leicht möglich, dass ihr heute zum letzten Mal Gelegenheit habt, eure Kräfte zu erproben, bevor der Winter kommt.«
    »Ich will aber kein Tier sein«, sagte Philippa. »Ich will eine Hexe sein. Mit Warzen.«
    »Und ich Dracula«, beharrte John. »Mit Blut an den Zähnen.«
    »Und ich sage Nein«, erklärte Mrs   Gaunt unnachgiebig. Als sie vor vielen Jahren Mr   Gaunt kennen lernte, hatte sie bald gelobt, ihre eigenen Dschinnkräfte nie mehr anzuwenden, wenn auch aus Gründen, die den Zwillingen noch nicht ganz einleuchteten. John glaubte, es hinge wohl damit zusammen, dass ihr Vater Edward ein Mensch war. Ihn beunruhigte die Vorstellung, dass seine beiden Kinder die Macht besaßen, ihn – zumindest während der Sommermonate – in einen Hund zu verwandeln. Vielleicht war das auch der Grund, weshalb Mrs   Gaunt mit John und Philippa vereinbart hatte, ihre Dschinnkräfte nur nach Absprache mit ihr anzuwenden – damit sie nicht übereilt etwas taten, was sie später vielleicht bereuten. Die Kräfte eines Dschinn, auch eines jungen Dschinn, sind nämlich sehr stark. Aber sie wusste auch, dass ein junger Dschinn ab und zu seine Kräfte üben muss, schon allein, um seine Gesundheit und sein allgemeines Wohlbefinden zu stärken.
    Aber die Zwillinge waren noch kein bisschen überzeugt, dass die Verwandlung in ein Tier verlockender sein sollte als eine Halloween-Verkleidung.
    »Ich versteh’s einfach nicht«, rief John. »Warum dürfen wir denn nicht Halloween feiern? Du hast uns noch nie erklärt, was du eigentlich dagegen hast.«
    »Nein?«
    »Nein!«, riefen die beiden wie aus einem Mund.
    Mrs   Gaunt schüttelte den Kopf. »Vielleicht habt ihr Recht«, räumte sie ein.
    »Also, erklär«, sagte John. Er klang skeptisch, denn seiner Meinung nach nahm seine Mutter Halloween viel zu ernst.
    »Es ist wirklich ganz einfach«, sagte sie. »An Halloween wird etwas in den Mittelpunkt gerückt, von dem die meisten Menschen nichts wissen. Für gute Dschinnstämme wie den unseren ist diese Zeit immer sehr schwierig. Es waren nämlich böse Dschinnstämme wie die Ghul, die Shaitan und die Ifrit, die vor vielen Jahrhunderten leichtgläubige Menschen dazu überredeten, sie in dieser Zeit des Jahres anzubeten und zu verehren. Im Gegenzug versprachen sie, ihnen kein Leid zuzufügen. Während dieser Zeit der Verehrung verkleideten sich die Menschen so, wie sie sich diese bösen Dschinn vorstellten. Sie brachten ihnen Wein und Leckereien, um von Unglück verschont zu bleiben. Und das ist der Grund, weshalb unser Stamm, die Marid, mit diesem Treiben nie etwas zu tun haben wollte. Versteht ihr jetzt? Ich muss sagen, nach allem, was ihr in diesem Sommer von Nimrod erfahren habt, überrascht es mich eigentlich, dass ihr die Sache so leicht nehmen könnt.«
    Die Zwillinge schwiegen eine Weile und dachten über Mrs   Gaunts
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