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Todesflirt

Todesflirt

Titel: Todesflirt
Autoren: Bettina Broemme
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aufmerksam – der drollige Hund einer Rentnerin, das schlafende Baby in einem Kinderwagen – und sie folgten ihm wie dressierte Zicklein im Zirkus. Er war einfach wunderbar. Und so ganz anders als Max. Ich versuchte, den Namen zu verdrängen, wegzukauen, runterzuschlucken. Der Gedanke an Max stammte aus einer Parallelwelt, in die ich nicht zurückfinden wollte. Dabei wusste ich genau, dass ich, wenn der Kindergarten schloss, genau dorthin zurückkehren würde. Vielleicht stünde Max sogar hinterm Tor und wartete auf mich. Das tat er selten – aber es würde mich nicht wundern, wenn er es ausgerechnet heute täte. Oh Gott, genau! Heute Abend war ja das Geburtstagsfest seines besten Kumpels Schmolzi. Schrecklich! Bier trinken, Tischfussball spielen und eine Wurst nach der andern vom Grill futtern. Außerdem würden sie sich wieder über die Tofuwürste lustig machen, die mir irgendjemand gutmeinend besorgt haben würde. Ich hasse Tofu – und nur, weil ich Vegetarierin bin, muss ich keinen Tofu essen.
    David hörte sich völlig gelassen das Schimpfen von Cuchelos Mutter an, die immer Angst hatte, ihre kleine Prinzessin würde sich im Regen wie Puderzucker auflösen. Ihr ziemlich schlechtes Deutsch war kaum zu verstehen, aber die Tonmelodie sagte alles. David nickte, dann fiel sein Blick auf mich und bekam etwas Schelmisches. Etwas so Vertrautes. Etwas so unglaublich Anziehendes. Okay, ich gebe zu, ich hatte ihn vom ersten Tag an süß gefunden – rein optisch. Aber er war so verschlossen gewesen, freundlich, aber sehr zurückhaltend, dass ich bisher kaum über ihn nachgedacht hatte. Beziehungsweise darüber, was ich für ihn empfand. Jetzt aber – mein Magen zog sich zusammen, als ich seinen Blick auf mir spürte, meine Knie wurden butterweich. Ich wollte die Eltern und Kinder beiseiteschieben, zu ihm eilen, meine Finger in seinen Locken vergraben und ihn küssen, küssen, küssen.
    Max’ Kopf schob sich in mein Blickfeld. Mit seinen 1,92 überragte er David bei Weitem. Ich sackte ein wenig zusammen, räusperte mich und winkte aufgesetzt fröhlich zu meinem Freund hinüber. Ich hob meinen Arm, deutete auf die Uhr am Handgelenk und zeigte ihm fünf Finger. Fünf Minuten musste er sich noch gedulden.
    David und ich stießen in der Tür des Personalraums zusammen, wo wir unsere Taschen aufbewahrten. Ich wollte eilig raus – er rein. Er sah mich fragend an, aber bevor er etwas sagen konnte, reckte ich mich zu ihm hoch und küsste ihn auf den Mund. Ganz kurz. Es ging so schnell, dass ich gar nicht die Zeit hatte, meine Gedanken zu ordnen: A) Soll ich ihn küssen? B) Sieht uns auch niemand? und C) Bin ich eigentlich völlig bescheuert? Ehe A auch nur angedacht war, war schon alles geschehen. Und wieder war ich verzaubert – kombiniert mit einem drohenden
Lachanfall, weil ich die Situation so absurd fand, und einem völlig schlechten Gewissen – hey, da draußen stand mein Freund! David griff nach meiner Hand, aber da lief ich schon fort. Wie konnte ich jetzt den obligatorischen Begrüßungskuss vermeiden? Ich war immer noch nicht wieder Herrin über meine Gedanken, geschweige denn über meine Gefühle.
    Zum Glück telefonierte Max und winkte mich zu seinem Wagen, einem alten, silberfarbenen Jeep Cherokee, den er von seinem im letzten Jahr verstorbenen Großonkel hatte übernehmen dürfen. In dem großräumigen Kofferraum lag bereits mein Fahrrad. Ich lästerte natürlich immer über den Benzinverbrauch des Autos, der bei gut zehn Litern lag, aber wie so oft stellte Max dann auf Durchzug.
    Ich gebe zu, Max und mich würde man nicht sofort als Traumpaar einstufen. Dazu waren wir zu gegensätzlich. Vielleicht stimmte bei uns das Sprichwort von den Gegensätzen, die sich anziehen. Immerhin waren wir nun schon seit gut eineinhalb Jahren zusammen – ein Rekord sowohl für ihn als auch für mich. Und wenn man sich nicht auf die Unterschiede konzentrierte, dann konnte man auch sagen, wir ergänzten uns ziemlich gut. Ich war spontan und unternehmungslustig, er sorgte für die nötige Ruhe in meinem Leben. Er machte Witze, ich war fürs Diskutieren zuständig. Ich nahm vieles ernst, er das meiste auf die leichte Schulter. Er erdete mich, ich zog ihn hoch. Ich regte ihn auf, er mich ab. Außerdem war er in mancher Hinsicht empfänglich für meine Versuche, einen besseren Menschen aus ihm zu machen, und ich war darüber glücklich. Meinetwegen hatte er mit dem Rauchen aufgehört (na gut, sagen wir mal: in meiner Gegenwart!),
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