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04 - Wohin die Zeit uns treibt

Titel: 04 - Wohin die Zeit uns treibt
Autoren: Nora Roberts
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PROLOG
    Zieh das Tempo im Vorspiel an, Terence, Junge, du verschleppst es." Frank O'Hara stand auf der Markierung, rechts auf der Bühne, bereit, die Eröffnungsnummer durchzugehen. Das
    dreiabendliche Engagement in Terre Haute stellte weder den Höhepunkt seiner Karriere dar, noch war es der Gipfel seiner Träume. Aber er würde dem Publikum eine Vorstellung geben, die ihr Eintrittsgeld wert war. Jeder unbedeutende Auftritt war die Generalprobe zum großen Durchbruch.
    Er zählte das Tempo ein, dann tanzte er in die Nummer mit der Begeisterung eines Mannes, der halb so alt wie er war. Nach dem Kalender lag Franks Alter bei vierzig, aber seine Füße würden immer sechzehn sein.
    Die kleine Nummer hatte er sich ausgedacht in der naiven Hoffnung, sie würde zum Markenzeichen der O'Haras. Am Klavier versuchte sein ältestes Kind und einziger Sohn, etwas Leben in eine Melodie zu bringen, die er schon unzählige Male gespielt hatte -
    und träumte von der großen weiten Welt.
    Auf Stichwort wirbelte seine Mutter auf die Bühne und tanzte mit seinem Vater. Selbst nach endlosen Nummern, endlosen Theatern fühlte Terence immer noch den Stich der Zuneigung für sie. Genauso wie er nach endlosen Nummern, endlosen Theatern den mittlerweile vertrauten Stich der Frustration spürte.

    Würde es immer so sein, zweitklassige Lieder auf zweitklassigen Klavieren zu hämmern, um die großen Träume seines Vaters zu erfüllen, die nicht einmal in der Hölle Hoffnung auf Erfüllung hatten?
    Wie sie es den größten Teil ihres Lebens gemacht hatte, glich Molly ihre Schritte denen von Frank an.
    Sie hätte die Nummer mit verbundenen Augen tanzen können. Ihre Gedanken waren dabei ganz bei ihrem Sohn.
    Der Junge ist nicht glücklich, dachte sie. Und aus dem Kind war ein Mann geworden, der danach strebte, seinen eigenen Weg zu gehen. Es war diese Tatsache, das wusste sie, die Frank so viel Angst einjagte, dass er sich weigerte, sie überhaupt zur Kenntnis zu nehmen.
    Die Auseinandersetzungen waren häufiger geworden, hitziger.
    Bald, dachte sie, zu bald, wird etwas explodieren, und vielleicht bin ich nicht in der Lage, alle Stücke zu kitten.
    Kick, Spitze, Ballen, neigen. Ihre drei Töchter steppten auf die Bühne. Da ihr Herz Franks nahe war, fühlte Molly, wie es vor Stolz anschwoll. Sein Stolz und seine Hoffnung gründeten sich darauf, dass er immer noch der jugendliche Träumer war, in den sie sich vor so langer Zeit verliebt hatte.
    Während Molly und Frank von der Bühne tanzten, ging die Nummer glatt in den Eröffnungssong über.
    Die O'Hara-Drillinge - Caroline, Alana und Madeline -
    stürzten sich in die dreistimmige Melodie, als wären sie zum Singen geboren.
    Praktisch waren sie es auch, dachte Molly. Aber wie Terence waren sie keine Kinder mehr. Caroline, die alle Carrie nannten, benutzte schon Köpfchen und Tricks, um die Männer im Publikum zu faszinieren. Alana, beständig und ruhig, kam gerade in die Jahre. Und es würde nicht mehr lange dauern, bis sie Madeline, Maddy, verloren. Als Mutter empfand Molly sowohl Stolz als auch Bedauern beim Gedanken, dass ihre Jüngste einfach zu viel Talent hatte, um noch lange Teil einer

umherziehenden Truppe zu sein.
    Doch jetzt war es Terence, der ihr Sorgen machte.
    Er saß am verkratzten Klavier in dem schäbigen kleinen Club, die Gedanken Tausende von Meilen entfernt. Sie hatte die Broschüren gesehen, die er sammelte. Fotos und Geschichten von Orten wie Sansibar, Neuguinea, Mazatlän in Mexiko. Auf den langen Zug- oder Busfahrten von einer Stadt zur anderen erzählte Terence von den Moscheen und Höhlen und Bergen, die er sehen wollte.
    Und dann fegte Frank diese Träume wie Staub zur Seite, klammerte sich verzweifelt an seine eigenen -

und an seinen Sohn.
    „Nicht schlecht, Schätzchen." Frank sprang zurück auf die Bühne und nahm seine Töchter in den Arm. „Terence, deine Gedanken sind nicht im Geringsten bei der Musik. Du musst Leben hineinpumpen."
    „In dieser Nummer ist seit Des Moines überhaupt kein Leben mehr."
    Vor einigen Monaten hätte Frank aufgelacht und seinem Sohn das Haar zerzaust. Doch jetzt spürte er den Stachel der Kritik, von Mann zu Mann.
    Eigensinnig reckte er das Kinn. „An dem Stück war noch nie etwas auszusetzen. Es ist dein Spiel, das zu wünschen übrig lässt.
    Zweimal hast du das Tempo verloren. Ich habe es satt, dich eingeschnappt vor den Tasten hocken zu sehen."
    In der Rolle der Friedensstifterin trat Alana zwischen ihren Vater und Bruder.
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