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Todesflirt

Todesflirt

Titel: Todesflirt
Autoren: Bettina Broemme
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Isarufer hochschlängelten, sagte er: »Du weißt, dass er im ›Rechts der Isar‹ liegt. Wir könnten einen kleinen Schlenker machen.« Ich nickte. Was heißen sollte: Könnten wir.
    »Soll ich?«, fragte er. Ich hob die Schultern, ließ sie fallen. Wollte ich ihn sehen? Er war ein verdammter Nazi. Gewesen.
    »Bitte!«, rief Juli von hinten. »David sehen. Ich will David sehen. Bitte.«
    »Echt?« Ich war überrascht. Juli strahlte und ruckelte am Gestell ihrer Brille.
    »Bitte«, wiederholte sie. »David sehen.« Und mein Vater setzte den Blinker.
    Auch als ich jetzt im Gang des Krankenhaus stehe, verschwindet der Ring aus Eis um mein Herz nicht. Ich konnte ihm nicht in die Augen schauen. Dachte, ich ersticke. Musste raus. Ich lehne mich an die kalte weiße Wand mit dem mintgrünen Querstreifen.
    »Alles okay?«, fragt mich eine ältliche Schwester im Vorbeigehen. Ich nicke.
    Nichts ist okay. Gar nichts. Wie konnte er mich so täuschen! Wie konnte ich mich so täuschen? David ist Malte ist Nazi – diese Gleichung kreist unaufhörlich durch mein Hirn wie der Hamster durch sein Rad.
    Ich habe die Enttäuschung und den Schmerz in seinen Augen gesehen, als ihm klar wurde, ich würde mich jetzt umdrehen und gehen. Juli hat angefangen, ein Lied für ihn zu singen. Ich höre ihre laute, kraftvolle Stimme durch die geschlossene Tür. »Bruder Jakob, Bruder Jakob …«, singt sie. Es ist schon immer ihr Lieblingslied.
    Ich beschließe, in die Cafeteria zu gehen und mir einen Kaffee zu holen. Und ein Brötchen. Ich habe heute Morgen nicht gefrühstückt, ich habe keinen Bissen hinunterbekommen. Jetzt merke ich erst, wie ausgehungert ich bin.
    Als ich die Glastür der Station öffne, steht mir eine junge Frau gegenüber. Sie mustert mich nervös, ihr Blick wandert rasch über mich, als wolle sie herausfinden, ob ich jemand bin, den man nach einer Information fragen kann.
    »Wo ist denn Zimmer 1253?«, fragt sie und man spürt, dass sie keine Zeit für höfliche Floskeln hat. Ihre blonden Locken sind recht kurz geschnitten, ihre türkisblauen Augen mit orangenen Sprenkeln durchzogen. Sie ist schlank, wirkt burschikos und ihr Mund ist genauso schmal wie der ihres Bruders.
    »Luisa?«, frage ich und ich bin mir sicher, dass sie Ja sagt.
    »Tabea?«, fragt sie zurück und ich kann nicht anders und muss lächeln.
    Die schattigen Tische auf der Terrasse der Cafeteria sind alle besetzt. Ich habe nur noch einen Platz auf einem halbhohen Mäuerchen gefunden, immerhin nicht in der prallen Sonne. Unruhig beobachte ich den Eingang. Sie hat gesagt, sie würde kurz bei ihm vorbeischauen und mich dann hier treffen. Wir müssten reden. Ja, denke ich, das wäre gut.
    Sie kommt mit einem Tablett, auf dem ein Kaffeebecher und eine kleine Wasserflasche stehen, auf mich zu. Sie lächelt schüchtern, stellt das Tablett auf die Rasenfläche, die an das Mäuerchen anschließt. Ich klemme die ausgestreckten Hände zwischen meine Knie, ziehe die Schultern hoch, spüre das Ziehen in meinem Rücken. Ich bin ziemlich verspannt.
    Keine von uns weiß so recht, was sie sagen soll.
    »Wann bist du denn losgefahren in Hamburg?«, fällt mir schließlich ein. Es ist noch nicht ganz ein Uhr, ganz schön früh, für die lange Strecke.
    Sie rekelt und streckt sich. »Um kurz vor sechs«, sagt sie dann. Ihre Stimme hat eine ähnliche Sprachmelodie wie die Maltes. »Er hat mich angerufen, gestern Abend, ziemlich spät. Er konnte nicht viel sagen, aber mir war klar, dass ich sofort kommen muss.«
    »Er sieht schrecklich aus.«
    »Ja, schauderhaft«, sie nippt am Kaffee, rührt in der Tasse. »Aber der Arzt meinte gerade, er wird wieder. Es sieht zwar schlimm aus, aber die Verletzungen sind nicht weiter tragisch, nicht lebensbedrohlich.«
    Ich nicke, unschlüssig, was ich dazu sagen soll. Gott sei Dank, denke ich ganz spontan, aber gleichzeitig rede ich mir ein, dass es mir gleichgültig sein sollte.
    »Du bist auch ganz schön verletzt, oder?«, fragt sie. »Du bist sicher total sauer auf ihn.«
    Ich nicke, starre auf meine Knie. Nicht weinen jetzt, ermahne ich mich.
    »Das verstehe ich gut.« Sie lässt den Blick über die Wiese schweifen, auf der ein paar hohe, alte Pappeln stehen. Kleine weiße Samenwölkchen fliegen zwischen ihnen herum. »Das war ich auch erst mal. Total geschockt.« Sie seufzt.
    »Ich hab nichts geahnt – nicht das leiseste bisschen«, sage ich. »Und dann hab ich so ein Nazi-T-Shirt von ihm gefunden und mir auch noch zusammengereimt, dass
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