Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesfalter

Todesfalter

Titel: Todesfalter
Autoren: Tessa Korber
Vom Netzwerk:
aus einem guten Stall: altes Patriziat, ihr Vater saß im Rat, sie hatten ein Kontor in Venedig. Die Imhoffs zu kennen, das schadete keinem.
    Maria Merian bestätigte es. »Natürlich, Clara gehört doch zu meinen besten Schülerinnen.«
    »Grüßt das Fräulein doch von mir, sie erinnert sich gewiss an mich. Ich hab doch als Obfrau damals ihre Spende für das Findelhaus in Empfang genommen.«
    »Das werd ich gerne«, versprach Maria und vergaß es im selben Moment wieder.
    Ihre Nachbarin verschloss mit stolzgeschwellter Brust das Fenster und sperrte die blassgoldene Märzensonne aus. Ein wenig versöhnt stellte sie fest: »Ihr Treiben kann ja nicht völlig verkehrt sein, wenn die Familie Imhoff es duldet. Und das sage ich, weil ich die Leute persönlich kenne. Aber den Mann«, sie schüttelte den Kopf, »den Graff kann ich trotzdem verstehen. Ich sag dir eins: Gut enden wird das nicht.«
    Die Magd nickte mit düsterem Gesicht und bekreuzigte sich.

2
    Die Luft war klar und roch nach Wachstum und Gedeihen. Es prickelte in der Luft, als Maria Sibylla mit energischem Schritt durch die Gassen ging. Sie meinte, schon hier das drängende Leben all der Pflanzen und Tiere vor der Stadt zu spüren. Selbst das Moos auf den Dachtraufen hatte ausgetrieben. Die ersten Kirschbäume würden bald blühen. Maria liebte diese Jahreszeit. Für einen Moment blieb sie stehen und schloss die Augen, um die stärker werdende Kraft der Sonne auf Kopf und Schultern zu fühlen.
    Sie bog oberhalb der Sebalduskirche rechts ab, eine kleine, schlanke, eilige Gestalt, die sich sehr aufrecht hielt. Ihr Haar trug sie in einem schmucklosen Knoten, und das Schönste an ihrem Gesicht waren die dunklen Augen, die ruhig und entschlossen die Dinge betrachteten. Sie lebte nunmehr seit vier Jahren in Nürnberg, der Stadt, aus der ihr Mann stammte. Die hiesigen Bürger hatten sie bisher vor allem im Laufschritt erlebt: Immer war sie am Arbeiten. Sie führte das Haus am Milchmarkt mit nur einer Magd, denn Geld war knapp im Hause Graff. Sie verkaufte Farben und Firnisse, die sie selbst herstellte, nahm Aufträge für Tischwäsche an, die sie bestickte oder bemalte, sie unterrichtete die höheren Töchter der Stadt in dieser Kunst, stach Blumenbilder, kolorierte und verkaufte sie.
    Der Mann, ja der Mann! Sein Vater war ja noch Rektor am Egidianeum gewesen und ein gekrönter Dichter. Der Sohn dagegen war eher als Gast in den Nürnberger Schenken bekannt. Letzte Nacht war er schon wieder erst im Morgengrauen nach Hause gekommen.
    Maria Sibylla wollte nicht darüber nachdenken. Im letzten Brief hatte ihre Mutter sie zum wiederholten Mal ermahnt, dass man sein Kreuz zu tragen habe, schweigend und mit Anstand, je schweigsamer, desto anständiger, so gereiche es der Frau zum Ruhme.
    Maria war sich nicht sicher, ob sie auf diese Art von Ruhm erpicht war. Sie widersprach der Dulderthese, schon weil es ihre Mutter war, die sie aufstellte. Unternehmen allerdings tat sie nichts. Ich habe weiß Gott genug um die Ohren, sagte sie sich. Ich habe gar keine Zeit, wegen seiner Eskapaden auch nur verletzt zu sein. Der kleine Kloß im Hals, der sich bei diesem Gedanken einstellte, strafte sie jedoch Lügen.
    Die Gasse zur Burg tat sich vor ihr auf, und Maria wandte sich abwärts. Ihr Herz schlug ein wenig schneller. Der gewählte Weg führte auch zum Laufer Tor, ebenso gut wie jeder andere, beschwichtigte sie sich selbst. Und meist war er ja auch gar nicht zu sehen. Sie wusste ohnehin nicht, was er von ihr wollte, dieser Südländer. Bestimmt war er zehn Jahre älter als sie, nicht groß, aber breitschultrig. Und Wimpern hatte er wie ein Mädchen, dachte sie, der kein Detail entging. Lange Wimpern über schwarzen Augen, in seinen selten gekämmten Locken hing der weiße Staub. Manchmal lehnte er am Fenster, einen Krug in der Hand, in Gedanken versunken während seiner Arbeitspause. Und wenn sie vorüberkam, folgte er ihr mit seinen Schwarzkirschaugen.
    »Bella signorina …«, hatte er ihr einmal in seiner seltsamen Sprache nachgerufen. Es klang, als hätte er rollende Kügelchen im Mund, rau, fremdartig und schnell. Bella signorina! Wo es doch weiß Gott genug dralle Mägde gab, mit denen er hätte schäkern können. Maria begriff nicht, was er von ihr wollte. Einmal war sie dann doch stehen geblieben. »Ich bin keine signorina, ich bin eine signora« ,hatte sie so würdevoll wie möglich erklärt. »Und bella bin ich auch nicht.« Da hatte er gelacht, und sie war mit rotem Kopf
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher