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Todesfalter

Todesfalter

Titel: Todesfalter
Autoren: Tessa Korber
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murmelte ein hastiges Gebet. »Es war klug, Magdalena von ihr fernzuhalten«, fiel es ihr dann ein. »Sie spricht nie darüber – aber sie hat damals ihren Vater gefunden, wisst ihr das eigentlich?«
    »Ist das dein Ernst?«, fragten Maria und Clara wie aus einem Mund.
    Im selben Moment hörten sie draußen Magdalenas unverkennbare Stimme: »Nett von euch, aber nutzlos, ich kenne sie nämlich.«
    So schnell sie konnte, krabbelte Maria rückwärts aus dem Gestrüpp. Auch ihr Rock nahm jetzt Schaden, sämtliche Gerätschaften am Gürtel klapperten, und an ihrer Frisur war mit Sicherheit nichts mehr zu retten. »Was hast du da gesagt?«, fragte sie. »Und was machst du schon wieder hier?«
    Magdalena ignorierte die zweite Frage. »Na, dass ich die Frau kenne«, wiederholte sie und zog ihren berühmten Schmollmund.
    »Du willst doch nur angeben.« – »Ist doch gar nicht möglich.«
    Maria stellte die Ruhe wieder her. »Clara«, bat sie ihre Schülerin, »kannst du mit Dorothea mal ein paar Schritte auf und ab gehen?«
    Magdalena schob schmollend die Unterlippe vor. Sie war zwar schon über zwanzig und alles andere als ein Kind, aber sie benahm sich auffallend gerne wie eines. Vielleicht, dachte Maria im selben Moment, war das ihre Art, mit dem, was ihr zugestoßen war, fertig zu werden.
    »Willst du mir jetzt auch noch Vorhaltungen machen?«, fragte Magdalena und hob herausfordernd das Kinn.
    Maria schüttelte den Kopf. Sie versuchte, ihre Locken in den Knoten zurückzustecken. »Nein, aber ich wäre dir dankbar, wenn du den Mädchen gegenüber nachher andeuten könntest, dass du da vielleicht ein wenig voreilig warst. Denk an den Ruf deiner Familie. Es ist nicht gut, in so etwas hineingezogen zu werden. Deshalb hatte ich dich ja zurück zum Tor geschickt«, fügte sie mit leisem Tadel hinzu.
    Magdalena überging das und warf ihr einen Blick zu, der besagen mochte: Wie viel schlimmer kann das in unserem Fall noch kommen? Dann schien sie darüber nachzudenken. Nach einer Weile allerdings schüttelte sie den Kopf. »Meine Familie kommt da so oder so nicht heraus. Die Frau war Magd bei uns. Deshalb bin ich mir ja so sicher.«
    »Magd?«
    »Jungmagd. Blieb nicht lange. Die Mutter hat sie hinausgeworfen, weil sie gar zu sehr mit den Gesellen in der Werkstatt poussierte. Geschah ihr ganz recht.« Magdalenas Schmollen kehrte zurück.
    Maria überlegte fieberhaft. Wenn sie den Mund hielten, geschah vielleicht überhaupt nichts weiter. Die Tote lag nicht einmal auf Stadtgebiet.
    Langsam kehrten die anderen zurück. »Du mit deinem vorlauten Gerede«, zischte Clara. Magdalena streckte ihr die Zunge heraus. »Wenigstens hab ich mich nicht zum Gaffen dazugedrängt.«
    »Mädchen!«, ermahnte Maria Sibylla sie. In ihrem Kopf summte es noch immer. Gerne hätte sie einen Weg gefunden, um aus der Sache herauszukommen. Noch einmal betrachtete sie die Tote. Ihre Augen waren weit geöffnet, noch konnte man erkennen, dass sie einst groß und blau gewesen sein mussten. Andreas’ Typ, ging es ihr flüchtig durch den Kopf. So sahen die jungen Frauen immer aus, mit denen er herumzog: weizenblond, üppig, mit strahlenden Puppenaugen. Es war nicht so, dass sie blind gewesen wäre. Wie oft hatte sie im Spiegel in ihre eigenen dunklen Augen, ihr unscheinbares Gesicht gestarrt und sich gefragt, warum er sie wohl genommen hatte, nicht eine wie diese. Maria Sibylla seufzte. Im selben Moment entdeckte sie genau das, weswegen sie eigentlich hergekommen war: hellgrün, mit cremefarbenen Streifen, glatt und beinahe durchscheinend. »Gebt mir die Schachtel«, flüsterte sie.
    Clara wurde als Erste aufmerksam. »Die große?«
    Statt einer Antwort streckte Maria die rechte Hand hinter sich und krümmte auffordernd die Finger. Mit der Linken langte sie nach vorne und zupfte ganz langsam und vorsichtig eine Raupe aus den Haaren der Toten.
    »Was macht Ihr da?«
    Clara ließ vor Schreck die Schachtel fallen.
    Maria Sibylla hatte gerade noch die Geistesgegenwart, zuzupacken und die Hand vorsichtig um ihren Fund zu schließen.

4
    »Die Gräffin!«
    »Oh, Rat Nützel.« Maria Sibylla grüßte artig. »Dass Ihr Euch gleich selbst herbemüht.«
    »Ich bin die vierzehn Tage Lochschöffe, gemeinsam mit dem Holzschuher. Und wenn es so ist, wie meine Barbara sagt, dann ist mein Amt hier gefragt.«
    Maria Sibylla senkte den Kopf, nicht ohne zu bemerken, dass er sich sogar einen Schützen mitgebracht hatte. Der Rat selber war klein und mausäugig wie seine Tochter.
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