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Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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bewaffnete Journalistenmeute belauerte das Kanzleramt. Es sollte eine Erklärung der Bundesregierung geben.
    Drei Gerüchte machten die Runde.
    Das erste: Nach Düsseldorf und Emden sollten nun auch Rostock, Berlin und Frankfurt abgeriegelt werden.
    Das zweite: Es gab angeblich einen Impfstoff, der im Internet für zweitausend Euro pro Dosis angeboten wurde, aber angeblich wie eine Psychodroge wirkte und süchtig machte.
    Das dritte Gerücht verbreitete sich ohne Mithilfe der Medien, dafür aber umso schneller. Es gebe keinen Impfstoff und kein Gegenmittel, deshalb sei auch bereits eine militärische Lösung beschlossen. Einige sprachen von Napalm auf Emden, Düsseldorf und alle betroffenen Gebiete, andere glaubten Anzeichen für einen Atomschlag zu erkennen.
    Dieses Gerücht spaltete die Menschen. Da waren die hysterischen Theoretiker: »Wir müssen so handeln, es geht darum, das Überleben der Menschheit zu sichern …« – die wohnten alle außerhalb der betroffenen Gebiete. Und es gab die besonnenen Rechtsstaatsverteidiger: »Jeder Mensch hat ein Recht auf Leben. Wir können nicht eine ganze Großstadt mit Hunderttausenden von Menschen opfern, viele davon gesund, und das unter der Überschrift: Zum Wohle der Gesellschaft! Wer will denn mit dieser Last leben?« Die meisten von denen befanden sich eingeschlossen im Kessel oder hatten Verwandte dort.
    Niemand hätte mehr nachvollziehen können, wie und wo das Gerücht aufgekommen war, geschweige denn, wer genau es in die Welt gesetzt hatte, aber es machte die Menschen in den eingeschlossenen Gebieten verrückt und die Bilder von brennenden Häuserzeilen in Manhattan und Brooklyn taten das Ihre dazu. Scheinbar hatte die Ausrottung des Virus durch bewusst gelegte Feuer bereits begonnen. Da war es bis zum Napalm nicht mehr weit.
    Niemand aus dem Kanzleramt ließ sich blicken, böse Stimmen behaupteten, Teile der Regierung hätten sich in ein sicheres Feriendomizil auf den Kanarischen Inseln zurückgezogen. Der Innenminister wurde seit Stunden vermisst. Vielleicht abgetaucht. Vielleicht auch entführt. Vielleicht tot. Vielleicht krank. Niemand wusste etwas Genaues.
    Da die aufgeregte Stimme des Reporters Leons und Jüthes Aufmerksamkeit auf sich zog, schaltete Bettina das Fernsehgerät mit einem raschen Knopfdruck aus. Sie befürchtete, die Erklärung aus dem Kanzleramt könnte zu grausam sein für der Kinder.
    Leon fragte: »Hast du Angst, wir packen das nicht?«
    Bettina streichelte sein Gesicht, dann nickte sie stumm.
    »Wir sind stark«, sagte Jüthe. »Meine Mutter ist gestorben, Bettina. Ich halte auch aus, was die uns jetzt zu sagen haben.«
    »Ihr seid kluge, tapfere Kinder«, sagte Bettina. »Aber vielleicht wollen wir ja gar nicht wissen, was gerade geschieht. Wir könnten ja eine Partie Mensch-ärgere-Dich-nicht spielen …«
    Sie kam sich plötzlich hilflos vor. Der Junge tröstete sie: »Nein, das wollen wir nicht. Bettina, komm, wir nehmen uns alle an den Händen und gucken dann gemeinsam.«
    Jüthe setzte sich aufs Sofa und klopfte auf die freie Stelle neben sich. Leon führte Bettina an den Platz wie ein königlicher Kavalier seine angebetete Prinzessin. Seine Gesten hatten etwas Spielerisches, so als sei das alles nicht wirklich wahr, sondern nur ein spannendes Abenteuer, das sie gemeinsam in der Fantasie bestehen mussten.
    Bettina setzte sich. Zuerst kuschelte Leon sich an sie, dann tat Jüthe es ihm gleich.
    »Komm«, forderte Leon, »schalt wieder ein, Bettina.«
    Sie tat es.

 
    129 Ubbo Jansen stand neben Josy vor dem Lastwagen. Er hörte da drinnen die Stimme seiner Exfrau. Er bog seinen schmerzenden Rücken durch.
    »Ubbo Jansen, still fighting«, sagte er leise zu sich selbst und gleich ließ der Schmerz nach und auch die Gelenke knackten nicht mehr bei jeder Bewegung.
    Josy hörte den Satz nicht zum ersten Mal von ihm. Direkt danach folgte meist eine mehr oder weniger gewaltsame Aktion.
    »Wir könnten versuchen, die Polizei …«
    Er lächelte nur müde. »Erzähl du mir nichts von der Polizei«, flüsterte er.
    »Immerhin ist sie die Bürgermeisterin.«
    »Ja, das weiß ich besser als irgendwer sonst. Aber die staatliche Ordnung, Josy – die du und deine militanten Freunde so lange bekämpft haben –, hat kapituliert.«
    Sie hörte hinter sich die Demonstranten mit Sprechchören auf die Soldaten zugehen und musste ihm recht geben.
    Ubbo Jansen schob die Ladetür des Lkws mit dem Gewehrlauf einen Spalt weit auseinander, sodass er
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