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Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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er fast unterwürfig fort. »Sie müssen das verstehen. Ich … ich kenne die Leute da draußen. Die haben sich bewaffnet. Also …« Er stammelte herum, suchte die richtigen Worte und verschluckte sich an seinem eigenen Speichel. »Also, die meisten sind im Grunde brave Familienväter, gute Steuerzahler, Stützen der Gemeinschaft, wenn Sie so wollen …«
    Kerstin Jansen bekam wieder genug Luft und fuhr ihm voll in die Parade: »Das macht es nicht besser! Es ist mir egal, ob Familienväter oder Steuerzahler oder schwarz arbeitende Singles randalieren und Leute entführen! Die Hühnerfarm meines Exmanns wurde niedergebrannt. Das Rathaus angegriffen. Es gab Tote!«
    Er deutete hinaus. »Es sind nur ein paar Hitzköpfe, die den Konflikt wollen. Aber die haben leichtes Spiel. Wenn sie sich erst mal an die Spitze der Bewegung gesetzt haben, dann …«
    Die Mündung seiner Pistole war auf den Boden gerichtet. Er hielt sie kraftlos in der Hand, als sei sie ihm zu schwer geworden oder als habe er sie vergessen. Niklas Gärtner wog ab, was dagegen sprach, den Versuch zu wagen, Paul Polte zu entwaffnen.
    Er fragte sich, ob er in der Lage wäre zu schießen. Er kam zu der Ansicht, dass es ihm wenig ausmachen würde, den Mann zu erledigen. Er hatte lediglich Angst, vielleicht nicht schnell genug zu sein und dann dessen Zorn auf sich zu ziehen.
    »Also, was wollen Sie mir sagen?«, fauchte Kerstin Jansen. »Raus mit der Sprache!«
    »Mit Ihnen als Geisel können wir vielleicht ein Blutbad verhindern.«
    »Sie meinen …?«
    »Ja. Genau das meine ich. Die Menge wird auf eine Entscheidung warten, alle werden hoffen, dass die Soldaten abziehen, ohne dass es zu einem Kampf kommt.«
    »Entweder sind Sie verrückt oder sehr intelligent«, sagte die Bürgermeisterin. Sie hatte den Eindruck, ihn langsam in den Griff zu bekommen. Sie begann zu begreifen, wie er tickte.
    Sie sagte: »Habe ich Sie richtig verstanden, mit mir als Druckmittel wollen Sie verhindern, dass die aufgebrachten Menschen mit den erbeuteten Waffen über die Ems stürmen?«
    Er sah sie aus fiebrig glänzenden Augen zustimmend an.
    Niklas Gärtner mischte sich ein. »Vielleicht hat er recht. Die Menschen brauchen ein Druckmittel. Einen Trumpf, den sie ausspielen können. Im Moment haben sie nichts, nur die Forderung Lasst uns raus. Sie können das lediglich mit Waffen unterstreichen. Wie sonst sollen sie Druck machen?«
    »Halt die Fresse!«, zischte die Rattenkopf-Frau am Laptop ungeduldig und machte keinen Hehl aus ihrer Abneigung Niklas Gärtner und seiner oberlehrerhaften Art gegenüber. Sie fluchte: »Wir können nicht so einfach auf Sendung gehen. Ich krieg das nicht hin, verdammt!«
    »Wie, du kriegst das nicht hin?«
    Patzig antwortete sie: »Mir fehlt ein USB-Kabel und die passende Software und außerdem …«
    Paul Polte unterbrach sie: »Heißt das, wir kriegen den Film nicht ins Netz?«
    »Genau das heißt es.«
    Polte wirkte, als hätte jemand die Luft aus seinem aufgeblähten Körper gelassen.
    »Wenn Sie mitspielen«, sagte er zu Kerstin Jansen, »können wir es trotzdem machen. Kommen Sie einfach mit mir raus. Es sind nur ein paar Meter. Beeilen wir uns – bevor die Schlacht losgeht.«
    »Nein, so läuft das nicht!«, regte sein Kumpel Roger sich auf. Er fuhr sich immer wieder durch die Haare und kratzte sich die juckende Kopfhaut blutig. »Wenn du mit ihr draußen bist und ihr die Knarre an den Kopf hältst, dann starten irgendwelche GSG-9-Leute eine Befreiungsaktion oder die machen den finalen Rettungsschuss. Ich trau denen nicht über den Weg. Die haben Scharfschützen, die sind Kampfeinsätze gewohnt. Da sind vielleicht Spezialisten der Terrorbekämpfung aus Afghanistan dabei …«
    »Reg dich ab. Du hast ja recht, aber ich habe einen Plan. Wir nehmen nicht sie mit, sondern ihn.« Er zeigte auf Niklas Gärtner.

 
    126 Die Fronten auf der Brücke hatten sich verhärtet. Es gab kein Nachgeben, lediglich Verbitterung auf beiden Seiten.
    Carlo Rosin glaubte in den Augen der jungen Soldaten Angst zu sehen. Zum einen davor, sich vielleicht bei diesen aufgebrachten Emder Bürgern anzustecken, und zum anderen, einen Menschen töten zu müssen.
    Die meisten waren in seinem Alter.
    Mit nacktem Oberkörper und erhobenen Armen war er auf sie zugegangen. Aber sie hatten ihn nicht nah herankommen lassen, sondern einen Warnschuss abgegeben. Er konnte es nicht glauben: Ein Warnschuss!
    »Ich will mit euch reden!«, rief er, bewegte sich aber keinen Meter weiter.
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