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Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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man sie auf zu engem Raum einsperrte. Bei Nahrungsverknappung komme es sogar zu Kannibalismus.
    Um es Kerstin leichtzumachen, sagte Ubbo Jansen: »Wenn du glaubst, dass du dort gebraucht wirst … Hier kannst du sowieso nichts mehr tun.«
    Sie kämmte sich mit den Fingern die Haare, als ob sie versuchen würde, sich mit einfachsten Mitteln ein kamerataugliches Aussehen zu geben. »Die Menschen haben mich gewählt. Natürlich brauchen sie mich jetzt.«
    Etwas an dieser Aussage gab Tim einen Stich und gleichzeitig stimmte er ihr sofort zu, fühlte sich dabei aber klein und mickrig. Irgendwie unwichtig.
    »Da … da bahnt sich eine Katastrophe an, Frau Jansen«, sagte Niklas Gärtner. »Wenn Sie wollen, begleiten wir Sie. Wir können meinen Wagen nehmen.«
    Sie stimmte sofort zu. Polizeirat Schneider war längst mit dem Polizeiwagen zurückgefahren. Sie war jetzt ohne Fahrzeug. Es war nicht weit zur Brücke von Uphusen, sie hätte praktisch auch zu Fuß gehen können, aber der Gedanke schien ihr abwegig.
    Niklas Gärtner und sein Sohn waren geradezu begeistert von dem Gedanken, Frau Jansen zu fahren. Sie bekamen dadurch die Möglichkeit, diese halb abgefackelte Hühnerfarm endlich ohne Gesichtsverlust zu verlassen. In Niklas Gärtner keimte der Gedanke, ihr schreckliches moralisches Versagen vielleicht durch ein heldenhaftes Eingreifen an der Brücke über den Ems-Jade-Kanal relativieren zu können. In seinen Augen glänzte deutlich ein Hoffnungsschimmer.
    Ubbo Jansen spürte genau, dass Vater und Sohn eine Möglichkeit suchten, eine bessere Rolle in dieser Geschichte zu spielen als bisher.
    Die Bürgermeisterin nickte ihnen zu. Das war für die beiden der erhoffte Ausweg. Sie wirkten geradezu erlöst.
    »Hier können wir jetzt doch nichts mehr tun«, stellte Thorsten Gärtner gegen jedes bessere Wissen fest und sah dabei Ubbo Jansen an, als würde er ihn zitieren.
    Ubbo Jansen lachte bitter.
    Josy wurde sauer. »Und die Tiere? Da sind noch zwanzigtausend Tiere in dem dritten Stall und die Flammen können jederzeit auf das Gebäude übergreifen. Es reicht, wenn der Wind die Glut anfacht!«
    Ubbo Jansen sah sie dankbar an, winkte aber trotzdem ab. »Ja, seht nur, die Knallschützen sind ja weg. Wir kommen hier alleine klar, nicht wahr, Tim?«
    Tim nickte und schaute dabei zu seiner Mutter. Er verspürte durchaus Stolz. Sein Vater brauchte ihn und zeigte das auch. Aber da war noch etwas in ihm. Es fraß sich durch seine Gedärme wie ein Parasit. Der Gedanke: Es ist wieder einmal etwas wichtiger für meine Mutter als ich.
    Doch er dachte auch an die Fernsehbilder, die sie gesehen hatten, gab sich einen Ruck und sagte: »Klar, Mama, die Menschen brauchen dich jetzt. Du musst dorthin. Vielleicht kannst du ein zweites Düsseldorf verhindern.«
    »Und der nächste Wahlkampf kommt bestimmt«, spottete Ubbo Jansen, der die Wahlkampfzeiten immer gehasst hatte, weil seine Frau dann jeden Abend zwei, drei wichtige Termine hatte.
    Sie streichelte Tim über die Wange, wie sie es früher so oft getan hatte, wenn er krank war. »Das ist es nicht«, sagte sie. »Ich werde mein Amt niederlegen. Wenn das hier vorbei ist, wird man mich in der Luft zerreißen. Als Politikerin bin ich erledigt. Ich habe einem Betrüger fünf Millionen Euro für ein angebliches Antivirenmittel ausgehändigt. Ich habe mich reinlegen lassen wie eine Anfängerin.«
    Sie drückte ihren Sohn fest an sich und ging dann zur Tür. Dort drehte sie sich noch einmal um und sagte in Ubbo Jansens Richtung: »Ich tue es nur für die Menschen. Ich bin es ihnen schuldig.«
    Er nickte widerwillig. Er glaubte ihr kein Wort.
    Niklas und Thorsten Gärtner folgten Kerstin Jansen wie zwei Gehilfen ihrem Meister.
    Die Tür fiel hinter ihnen ins Schloss. Ubbo Jansen atmete auf. In Kerstins Nähe fühlte er sich nicht wirklich frei, er hatte es durch die Trennung fast vergessen.
    Er sah aus dem Fenster nach draußen und fand es stimmig, dass sie sich wieder ihren Dingen widmete.
    Der helle, klare Tag zeigte die ganze Zerstörung draußen und die orientierungslosen Hühner. Tote und lebende waren von hier aus kaum zu unterscheiden. In dichten Federhaufen lagen sie da.
    Ubbo Jansen ging davon aus, dass die meisten schlicht einen Herzinfarkt bekommen hatten. Dem Stress waren nur die wenigsten gewachsen. Aber hier und da bewegte sich etwas. Ein Huhn flatterte hoch und blieb im Stacheldraht auf der Mauer hängen.
    »Wir sollten die lebenden Hühner einfangen«, schlug Josy vor.
    »Ja«,
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