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Tamir Triad 03 - Die prophezeite Königin

Tamir Triad 03 - Die prophezeite Königin

Titel: Tamir Triad 03 - Die prophezeite Königin
Autoren: Lynn Flewelling
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Kapitel 1
     
    Die kalte Brise drehte sich und blies brennenden Rauch vom Lagerfeuer des alten Teolin in Mahtis Augen. Der junge Hexer blinzelte ihn weg, harrte jedoch reglos kauernd aus, den Bärenfellmantel wie ein kleines Zelt um sich geschlungen. Es brachte Pech, während dieses letzten, entscheidenden Schrittes der Erschaffung zu zappeln.
    Der alte Hexer summte fröhlich vor sich hin, während er sein Messer wieder und wieder erhitzte, um mit der Spitze und der Schneide die Ringe der dunklen, verschlungenen Muster zu ritzen, die mittlerweile den Großteil der langen Holzröhre bedeckten. Teolin war steinalt. Seine runzlige, braune Haut, durch die sich die Knochen abzeichneten, umhüllte sein dürres Gerippe wie ein altes Tuch. Die Hexenmale in seinem Gesicht und an seinem Körper waren schwierig zu lesen, weil die Verheerungen der Zeit sie verzerrt hatten. Das Haar hing ihm in einem lichten Gewirr gelblicher Strähnen auf die Schultern. Etliche Jahre des Erschaffens hatten seinen klobigen, knorrigen Finger schwarze Flecken beschert, doch sie waren so geschickt wie eh und je.
    Mahtis letzter Oo’lu war in einer kalten Nacht im vergangenen Mittwinter gesprungen, nachdem er die Gallensteine eines Greises hinfortgespielt hatte. Es hatte einer monatelangen Suche bedurft, den richtigen Bildiast zu finden, um einen neuen herzustellen. Bildibäume waren nicht selten, allerdings brauchte man den Stamm eines Jungbaumes oder einen großen, von Ameisen ausgehöhlten Ast, zudem der richtigen Größe, um einen guten Klang zu erzielen. ›Hoch bis zum Kinn und vier Finger breit.‹ So war es ihm beigebracht worden, und so war es auch.
    Er hatte reichlich mangelhafte Äste in den Hügeln um sein Dorf gefunden: knorrige, gesprungene, andere, in deren Seiten Löcher genagt waren. Die großen, schwarzen Ameisen, die dem durch das Kernholz aufsteigenden Saft folgten, waren emsige, jedoch ungeschickte Handwerker.
    Letztlich hatte er einen entdeckt und seinen Hornstab daraus geschnitten. Aber es brachte Unglück, wenn ein Hexer sein eigenes Instrument anfertigte, auch wenn er die Begabung dafür besaß. Man muss es sich verdienen und aus der Hand eines anderen erhalten. Also hatte er sich den Ast über den Bärenfellmantel auf den Rücken geschnallt und war mit Schneeschuhen drei Tage und Nächte gewandert, um ihn zu Teolin zu bringen.
    Der greise Mann galt als der beste Oo’lu -Hersteller in den östlichen Hügeln. Seit drei Generationen suchten ihn Hexer auf, und er wies mehr ab, als er annahm.
    Es dauerte Wochen, einen Oo’lu anzufertigen. Während dieser Zeit bestand Mahtis Aufgabe darin, Holz zu hacken, Essen zu kochen und sich allgemein nützlich zu machen, während Teolin arbeitete.
    Zunächst schabte Teolin die Rinde ab und verwendete glühende Kohlen, um die letzten Überreste der Ameisen herauszubrennen. Als der Stab vollständig ausgehöhlt war, begab er sich außer Hörweite, um den Klang zu prüfen. Zufrieden ruhten er und Mahti sich eine Woche lang aus und tauschten Zaubersprüche, während der hohle Ast zum Trocknen im Gebälk nahe dem Rauchloch in Teolins Hütte hing.
    Er trocknete, ohne sich zu verziehen oder zu springen. Teolin sägte die Enden gerade ab und rieb das Holz mit Bienenwachs ein, bis es glänzte. Danach hatten sie zwei weitere Tage auf den Vollmond gewartet.
    In dieser Nacht stand das Ausharren an.
    An jenem Nachmittag hatte Mahti den Schnee vor seiner Hütte beseitigt und ein altes Löwenfell herausgeschleift, auf das sich Teolin setzte. Er entfachte ein großes Feuer, stapelte weiteres Holz in Reichweite und kauerte sich hin, um die Flammen zu schüren.
    Teolin nahm – eingehüllt in sein von Motten zerfres senes Bärenfell – Platz und machte sich an die Arbeit. Mit einem erhitzten Eisenmesser ritzte er die magischen Ringe in das Holz. Mahti beobachtete ihn voll gespannter Aufmerksamkeit, während er das Feuer hütete, und bewunderte, wie die Muster regelrecht von der Spitze der Klinge zu fließen schienen, fast wie Tinte auf Rehleder. Er fragte sich, ob es ihm ähnlich leichtfallen würde, wenn für ihn die Zeit kam, Oo’lus für andere anzufertigen.
    Mittlerweile stand das volle, weiße Antlitz der Mutter hoch am Himmel, und Mahtis Knöchel schmerzten vom langen Kauern, aber der Oo’lu war beinah fertig.
    Als der letzte der Ringe vervollständigt war, tunkte Teolin das Mundstück in einen kleinen Topf mit Wachs, dann rollte er einen weichen Klumpen davon zu einem dünnen Strang und drückte
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