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Todesbrut

Todesbrut

Titel: Todesbrut
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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von der Seite an und zerteilte ihn mit einem Biss. Der Schwanz schwamm im Wasser, den prachtvollen Kopf mit dem langen Schwert zogen sie eilig an Bord und mit dem Rest tauchte der Marco ab.
    Sie sprachen kein Wort, bis sie im Hafen waren. Der Hai hatte sie um den Erfolg gebracht, mit dem großen Marlin hätten sie den Hemingway-Cup gewinnen können.
    Ohne darüber zu sprechen, wussten die beiden, was zu tun war. Am nächsten Morgen fuhren sie wieder hinaus und fischten an derselben Stelle mit frischen Thunfischstücken als Köder. Sie fuhren sechs Stunden im Kreis und dann holten sie sich den gierigen Marco.
    Als der große Hai an Bord um sich biss, schlug Ubbo Jansen ihm einen Fischerhaken in den Kopf und schrie: »Still fighting!«
    Etwas in ihm war an diesem Tag zu einer stolzen Größe gewachsen, nicht zerstörbar durch Scheidung und Konkurs und schon gar nicht durch immer neue Gesetze, Verordnungen und staatliche Auflagen.
    Tim beobachtete seinen Vater. Am liebsten hätte der jetzt eine Maschine gechartert und seine Tochter selbst abgeholt. Das ging nicht, aber es hätte ihm ähnlich gesehen und er hatte diesen Wunsch.
    »Die kommt schon klar«, sagte Tim. »Aber wir werden eine Menge Ärger bekommen, Papa.«
    Der Vater nahm die Fernbedienung und schaltete das Fernsehgerät aus.
    »Wir? Warum? Wegen der Hühner?« Er tippte sich gegen die Stirn. »Die Seuche kommt doch aus Amerika. Unserem Betrieb kann nichts passieren. Aber die Konkurrenz mit den freilaufenden Tieren im Hühnerparadies, die kriegt Probleme. Wir nicht. Unsere Tiere kommen mit den Keimen der Außenwelt gar nicht in Berührung.«
    Er zeigte zur Decke. »Wenn jetzt über uns irgendwelche kranken Flugvögel scheißen, dann landet ihr Kot auf dem Dach. Kommt gar nicht bis zu unseren Hühnern. Aber wo die frei herumlaufen, dort überträgt sich die Pest.«
    Damit war er bei seinem Lieblingsthema angekommen. Tim richtete die Kamera auf ihn.
    Ubbo Jansen hatte sich schon lange daran gewöhnt, dass sein Sohn ständig filmte. Für ihn war das wie eine schlechte Angewohnheit, aber es war ihm lieber, der Junge hatte dauernd eine Kamera am Auge als eine Zigarette in der Hand.
    »Kaum hatten unsere tapferen Volksvertreter das Gesetz durch, mit dem die Käfighaltung verboten werden sollte, da zwang die Realität sie, die Freilandhaltung zu verbieten.« Er lachte demonstrativ und klatschte sich auf den Bauch. »Ja, film das ruhig! Und meinetwegen kannst du es auch ins World Wide Web stellen. Soll jeder hören. Der erste Ausbruch der Vogelgrippe hier hat uns damals gerettet, sonst hätten sie uns die Legebatterie sofort geschlossen. Plötzlich wollte auch keiner mehr Bioeier und schon gar keine aus Freilandhaltung. Für einen Moment sind die Menschen vernünftig geworden und haben begriffen, dass wir die Tiere viel hygienischer halten und sie bei uns gesünder sind. Bei mir …«, er klopfte sich gegen die Brust wie Tarzan, bevor der die schöne blonde Frau aus den Fängen des schwarzen Gorillas befreite, »bei mir kommen die Hühner mit ihrem eigenen Kot gar nicht in Berührung. Das alles fällt durch ein Gitterrost und wird über ein Fließband entsorgt.« Er machte eine Pause und dachte kurz nach.
    »Nur zu, Papi, rede weiter, es ist sehr überzeugend, oder sagen wir besser: aufschlussreich.«

 
    10 Chris wartete draußen vor dem »Vier Jahreszeiten« ungewöhnlich lange, bis die nette Bedienung kam und ihre Bestellung aufnahm. Es machte sich eine eigenartige Stimmung auf der Insel breit. Unter der Oberfläche der bekannten ostfriesischen Gelassenheit brodelte es. Die Schutzmauer dieser sonst so wohltuenden Unaufgeregtheit der Küstenmenschen bekam Risse. Und auch die Touristen diskutierten nicht mehr über das Wetter, das Essen oder den Auftritt vom Shanty-Chor. Der FKK-Strand war nichts Aufregendes mehr und selbst für die Gäste aus Nordrhein-Westfalen verloren die Fußballergebnisse ihre Bedeutung.
    Ob man sich einen Tamiflu-Vorrat zulegen sollte, wurde ein beliebtes Thema. In der Apotheke kaufte eine findige Mutter einen Mundschutz für ihre »ohnehin sehr krankheitsanfällige Tochter« Olivia.
    Der Teenager weigerte sich aber, »rumzulaufen, als wäre Michael Jackson von den Toten auferstanden«. Aber die durchsetzungsfähige Mutter, die sich den Urlaub nicht durch eine Krankheit verderben lassen wollte, fand Wege mittels subtiler Erpressung, ihr Kind dazu zu bringen, den Mundschutz doch zu tragen.
    Der übergewichtige Micky, der gestern erst bei dem
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