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Todesbraut

Titel: Todesbraut
Autoren: dtv
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nachdem sie die Pausenmahlzeit für Emil eingepackt hatte. »Ich lasse mal in den Schulen anfragen, ob die Kinder heute dort sind.«
    »Glauben Sie   … etwas   …«
    »Ich glaube erst mal nichts. Es sieht aus, als hätten die Kinder sich heute Morgen allein das Frühstück gemacht, und niemand ist bislang dazu gekommen, die Sachen wieder zurückzuräumen. Wenn die Kinder aber in den Schulen angekommen sind, müssen wir uns in dieser Richtung schon mal keine Sorgen machen.«
    »Aber in anderen Richtungen, oder?« Nein, dieser Mann wollte sich einfach nicht beruhigen lassen.
    »Gibt es noch mehr Fenster?«, fragte Wencke.
    »Ja, Shirins Schlafzimmer liegt zur Straßenseite. Ich sehe mal nach.« Er stolperte fast über seine Beine, als er durch die kleine Gasse rannte.
    Wencke holte ihr Handy aus der Jackentasche, nach dem dritten Freizeichen meldete sich Tilda Kosian. Sie war so etwas wie Wenckes Vorgesetzte, bislang hatten die beiden neuen Kolleginnen aber nicht mehr als ein halbes Dutzend Sätze gewechselt. Es hatte stets an Zeit gemangelt, an Gelegenheit und vielleicht auch an Lust. Obwohl Tilda Kosian in Wenckes Alter war, stimmte die Wellenlänge irgendwie nicht. Schon äußerlich waren sie nicht auf Augenhöhe; wenn sie voreinander standen, lagen fünfzehn Zentimeter zwischen ihnen und Wencke blickte auf den Kragen einer weißen Bluse, ein dezentes Silberkettchen und schlanke Schultern. Wollte sie Kosians Blick begegnen, musste sie zu ihr hochschauen.
    »Ist es dringend? Ich bin in einer Besprechung!«
    »Nur eine kleine Bitte: Könnte jemand bei der Stadt- und bei der Berufsschule in Wunstorf anrufen und fragen, ob die Talabani-Kinder dort sind?«
    »Wie bitte? Warum denn das?«
    »Shirin Talabani scheint verschwunden zu sein. Und vielleicht wissen die beiden   …«
    »Was soll denn das? Das klingt ja wie ein Einsatzkommando!« Die Empörung ließ sich bestens heraushören.
    »Vielleicht ist sie in Gefahr?«
    Das Lachen am anderen Ende der Verbindung klang eher wie ein Vorwurf. »Geht da vielleicht die eifrige Ermittlerin mit Ihnen durch? Darf ich Sie daran erinnern, in welcher Funktion Sie mit diesem Fall befasst sind? Wenn Sie sich Sorgen machen, dann rufen Sie die Polizei   …«
    »Ich bin sicher, das LKA könnte das schneller erledigen. Sie wissen doch selbst, die Polizeibereitschaft   …«
    »Ich hörte schon von Ihrem Eifer, Frau Tydmers, empfehle Ihnen aber eine gewisse Zurückhaltung gegenüber den Kollegen im LKA: Wir sind hier wirklich nicht für 08   /   1 5-Aufgaben einer Polizeiwache zuständig.«
    Wencke legte auf. So lief das also.
    »Kommen Sie, kommen Sie, schnell!«, rief Wasmuth, der schon an der Straße stand. »Eines der Fenster steht auf Kipp!«
    Tatsächlich war auf der anderen Hausseite ein Kellerfenster geöffnet. Dahinter versperrte ein heruntergelassenes Rattanrollo die Sicht.
    »Nie im Leben geht Shirin aus dem Haus, ohne sich zu vergewissern, dass alles verschlossen ist!« Wasmuth lief aufgebracht hin und her, er schien vor Sorge nicht zu wissen, wohin, und war völlig neben der Rolle.
    Wencke nahm das Ruder in die Hand. »Suchen Sie einen Stock oder so etwas.« Dankbar, etwas zu tun zu haben, trabte Wasmuth los. »Und fragen Sie diese Nachbarin nach einer Taschenlampe!«
    Wencke schaute zur Videothek. Ein fettleibiger Glatzkopf schloss gerade die Tür auf, eine Zigarette hing ihm im Mundwinkel. Dann stellte er eine Werbetafel auf den Bürgersteig. ›Sexy Girls auf heißen Öfen‹ hieß sein neuester Film.
    »Entschuldigen Sie, kennen Sie Frau Talabani?«, sprach Wencke ihn an.
    »Nein«, antwortete er einsilbig und schmiss die Kippe auf den Boden.
    »Sie wohnt hier in dieser Wohnung. Eine Kurdin, Anfang dreißig, zwei Kinder   …«
    Nun nickte der Mann und zog die Augenbrauen hoch. »Sie meinen die Hure?«
    »Die was?« Wencke blieb die Spucke weg.
    »Sagt man so.«
    »Wer sagt das?«
    »Mein Gott, das weiß doch jeder hier in Wunstorf. Die ist nicht ohne. Alte Schlampe eben.«
    »Also kennen Sie sie?«
    Er wandte sich wieder ab und tat so, als sei das Platzieren seines Werbeschildes eine Aufgabe, die seine gesamte Aufmerksamkeit forderte. Während er dafür sorgte, dass der fast blanke Busen des Filmsternchens in Szene gesetzt wurde, gab er sich moralisch. »Solche Frauen will ich gar nicht kennen   …«
    Bevor Wencke ihre Empörung loswerden konnte, kam Wasmuth herangestürzt, in der einen Hand einen Besen, in der anderen eine Taschenlampe, die er auch aus einem
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