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Todes Kuss

Todes Kuss

Titel: Todes Kuss
Autoren: TASHA ALEXANDER
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Skizzenblock mit, um einzelne Objekte zu zeichnen.
    Da mir vieles noch sehr fremd war, beschloss ich, mich von Philip führen zu lassen, indem ich mich zuerst mit den Ausstellungsstücken beschäftigte, die er dem Museum gestiftet hatte. Mr Murray schien sich zu freuen, mich so oft in der Sammlung griechischer und römischer Altertümer anzutreffen. Ich wiederum war stolz darauf, mir rasch gewisse Grundkenntnisse über die Antike angeeignet zu haben.
    „Sie widmen Ihren Forschungen wirklich viel Zeit“, meinte er, als er mich wieder einmal vor der Vase antraf, auf der die drei Göttinnen dargestellt waren, die auf das Urteil des Paris warteten.
    „Ich hätte nie gedacht, dass so etwas so viel Freude machen kann.“
    „Dann gefällt Ihnen wohl auch Homers Werk?“
    Ich zitierte ein paar Zeilen aus dem ersten Gesang der Ilias .
    „Ah, Sie haben sich für Chapmans Übersetzung entschieden.“
    Ich verriet ihm nicht, dass ich das getan hatte, weil mir Chapmans Name aus John Keats’ bekanntem Sonett „On First Looking into Chapman’s Homer“ bekannt war, während ich von den anderen Übersetzern noch nie gehört hatte. Philips Bibliothek enthielt auch einige Ausgaben in der griechischen Originalsprache. Doch leider beherrschte ich weder modernes noch klassisches Griechisch.
    „Ich bin sicher“, fuhr Mr Murray fort, „Homer wird Sie nicht enttäuschen.“
    „Bestimmt nicht. Obwohl es für eine Dame recht … ungewöhnlich ist, sich mit den antiken Autoren auseinanderzusetzen, nicht wahr?“
    Er lachte. „Das war nicht immer so. Es hat auch berühmte Frauen gegeben, die die griechischen und römischen Mythen liebten. Ich ziehe übrigens Alexander Popes Übersetzung der Ilias allen anderen vor. Er ist so direkt.“
    „Nun, ich mag Chapmans Verse. Deshalb werde ich mich vorerst keiner anderen Übersetzung zuwenden.“ Ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf die Vase. An diesem Tag hatte ich eine Zeichnung der Göttin Aphrodite begonnen, aber es fiel mir schwer, ihre anmutige Haltung einzufangen. Mit gerunzelter Stirn verglich ich das Original mit meiner Kopie. Dann spürte ich, dass jemand mich beobachtete. War Mr Murray noch da? Ich hatte angenommen, er sei in sein Büro zurückgekehrt. Verunsichert schaute ich mich um.
    Ein mir unbekannter Mann stand auf der anderen Seite des Raums und tat so, als betrachte er den griechischen Fries an der Wand vor mir. Tatsächlich jedoch waren seine Augen auf mich gerichtet. Auch als ich seinen Blick einen Moment lang erwiderte, wandte er sich nicht ab. Er blieb ruhig stehen und gab mir Gelegenheit, die rote Narbe auf seiner rechten Wange zu mustern. Vermutlich hatte er sie sich bei einem Duell zugezogen. Er war mir ein wenig unheimlich, und sein seltsames Verhalten beunruhigte mich. Vergeblich versuchte ich, mich wieder auf meine Skizze zu konzentrieren.
    Ich hörte, wie jemand auf mich zukam, und fuhr herum.
    „Ich hoffe, ich habe Sie nicht erschreckt, Lady Ashton“, sagte Mr Murray.
    Der Unbekannte war verschwunden.
    „Im Gegenteil“, meinte ich und zwang mich zu einem Lächeln. „Ich freue mich, Sie zu sehen.“
    „Ich will Sie nicht lange von Ihrem Tun abhalten. Aber ich dachte, Sie würden vielleicht gern etwas mehr über die griechische Mythologie erfahren.“ Damit reichte er mir ein Buch. Handbuch der Mythologie stand in goldenen Buchstaben auf dem Einband.
    „Oh, vielen Dank, Mr Murray. Damit machen Sie mir wirklich eine Freude.“ Ich steckte das Werk in mein Retikül und schaute mich noch einmal unauffällig um. Den Mann mit der Narbe konnte ich nirgends entdecken.
    Die Zeit verging wie im Flug. Während ich zu Beginn meiner Witwenschaft manchmal schon morgens den Abend herbeigesehnt hatte, wünschte ich mir jetzt oft, die Tage wären länger. So sehr fesselte mich mein neues Interessengebiet.
    Ivy heiratete, und ich nahm in ein langweiliges graues Kleid gehüllt an der Hochzeitsfeier teil. Meine Freundin strahlte vor Glück, worüber ich sehr froh war. Trotzdem überkam mich eine leise Melancholie, weil mir irgendwann klar wurde, dass ich mich an meine eigene Hochzeit kaum erinnern konnte.
    Ich wusste noch, dass ich aufgeregt gewesen war und mir große Mühe gegeben hatte, keine Fehler zu machen. Ja, ich war so mit mir selbst beschäftigt gewesen, dass ich Philip nur wenig Aufmerksamkeit zu schenken vermochte. Als ich nun sah, wie warm Roberts Augen blickten, während er seiner Braut den Ehering über den Finger schob, überkam mich so etwas wie
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