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Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman

Titel: Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman
Autoren: Deon Meyer
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Wohnzimmer. Die Frauen folgten.
     Sie setzten sich wieder.
    »Sie waren die Erste, die am Tatort war?«
    Die Anwältin hob die Hände. »Könnten wir nicht eine kleine Pause einlegen?«
    Van As nickte. Van Heerden sagte nichts.
    »Ich hätte gern einen Tee«, sagte Beneke. »Wenn es nicht zu große Umstände macht.« Sie ließ der anderen Frau ein warmes Lächeln
     zukommen.
    »Gern«, antwortete Wilna van As und ging in die Küche.
    »Etwas mehr Mitgefühl würde nicht schaden, Mr. van Heerden.«
    »Nennen Sie mich einfach van Heerden.«
    Sie sah ihn an.
    Er lehnte sich auf dem Stuhl zurück. Die Schmerzen um das Auge waren mittlerweile stärker als in den Rippen. Der Kater pochte
     dumpf im Schädel. »Sieben Tage, da bleibt nicht viel Zeit für Mitgefühl, Hope.« Dass er sie mit ihrem Vornamen ansprach, ärgerte
     sie. Das gefiel ihm.
    »Ich glaube nicht, dass Sie sich Zeit oder Schwierigkeiten ersparen, wenn Sie kein Mitgefühl zeigen.«
    |28| Er zuckte mit den Schultern.
    »Sie klingen gerade so, als würde sie zum Verdächtigenkreis gehören.«
    Er schwieg kurz, dann fragte er bedächtig, müde: »Wie lange sind Sie schon Anwältin?«
    »Fast vier Jahre.«
    »Mit wie vielen Mordfällen hatten Sie in diesem Zeitraum zu tun?«
    »Ich verstehe nicht, was das mit Ihrem mangelnden Taktgefühl zu tun hat?«
    »Warum, glauben Sie, hat Kemp mich empfohlen? Weil ich so ein liebenswerter Bursche bin?«
    »Was?«
    »Ich weiß, was ich tue, Beneke. Ich weiß, was ich tue.«

|29| 4
    Jahrelang hing das Gemälde meines Vaters an der Wand gegenüber ihrem Doppelbett — der geschmeidige Körper des Bergmanns mit
     seinem kupferroten Haar und dem muskulösen Oberkörper, im Hintergrund ein Höhenzug im vom Winter ausgebleichten westlichen
     Transvaal. Das Gemälde war das Symbol ihres einzigartigen Zusammentreffens, ihrer ungewöhnlichen Romanze, ihrer Liebe auf
     den ersten Blick, die es in jenen Tagen ganz offensichtlich häufiger gegeben hatte als heute.
    Ich erzähle Emiles und Joans Liebesgeschichte nicht, weil sie einen amüsanten Prolog zu meiner eigenen Geschichte abgibt,
     sondern weil sie zu den wichtigen Faktoren gehört, die mein Leben bestimmt haben.
    Denn im Schatten dieser ihrer Liebe habe ich den Großteil meines Lebens damit verbracht, ebenfalls diesen Augenblick zu finden
     und ebenfalls dieselbe unmittelbare Gewissheit der Liebe zu entdecken.
    Was schließlich zu meinem Niedergang führte.
     
    Mein Vater war ein ehrenwerter Mann. (Wie enttäuscht würde er sein, wenn er wüsste, was aus seinem erwachsenen Sohn geworden
     ist.) Dies — und sein Körper — bildeten wahrscheinlich das Fundament, auf dem die Ehe meiner Eltern gebaut war. Denn sie hatten
     nichts gemeinsam. Selbst |30| nach ihrer Heirat, drei Jahre später, lebten sie in dem Bergmannshaus in Stilfontein in getrennten Welten.
    Ich muss zugeben, dass ich mich an die ersten vier oder fünf Jahre meines Lebens kaum erinnere; ich weiß nur, dass meine Mutter,
     die Künstlerin, immer von ihren Künstlerfreunden umgeben war: von Malern, Bildhauern, Schauspielern, Musikern, seltsamen Leuten,
     die aus Johannesburg und Pretoria zu Besuch kamen, gelegentlich das dritte Schlafzimmer zum Bersten füllten und an manchen
     Wochenenden sogar im Wohnzimmer nächtigten. Sie führte die Unterhaltung an, hatte eine Zigarette in der Hand, ein aufgeschlagenes
     Buch in Reichweite, Musik kam von zerkratzten Schallplatten, vor allem Schubert, aber auch Beethoven und Haydn. (Mozart, sagte
     sie, besitze nicht genügend Leidenschaft.) Dem Haushalt oder dem Kochen konnte sie nichts abgewinnen, aber es gab immer eine
     Mahlzeit für meinen Vater, oft genug ein exotisches Gericht, das einer ihrer Freunde zubereitet hatte. Und er, er war eine
     Gestalt am Rande, der Mann, der mit seinem Helm und dem Henkelmann von der Schicht nach Hause kam und zum Rugby-Training ging.
     Oder im Sommer zum Joggen. Er war ein Fitness-Fanatiker, Jahre bevor es in Mode kam. Er nahm Jahr für Jahr am Comrades Ultra-Marathon
     teil und an anderen mittlerweile vergessenen Marathonveranstaltungen. Er war ein stiller Mann, dessen Leben sich um seine
     Liebe zu ihr und seiner Liebe zum Sport drehte — und später um seine Liebe zu mir.
    Am 27. Januar 1960 wurde ich vom Schicksal in diesen Haushalt geworfen, ein Junge mit den dunklen Zügen seiner Mutter und
     der Wortkargheit seines Vaters.
    |31| Es war sein Vorschlag, dass sie mich »Zatopek« nennen sollten.
    Er war ein großer Bewunderer des
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