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Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman

Titel: Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman
Autoren: Deon Meyer
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schau dir das Auge an! Was haben Sie angestellt? Wie lange ist es schon her? Was machen Sie jetzt so, Captain?«
    »So wenig wie möglich«, antwortete er. Er fühlte sich unwohl, war nicht vorbereitet auf diesen Empfang und wollte die Frau
     nicht mit seiner Verbitterung behelligen. »Ist Tony O’Grady da?«
    »Ich kann es noch gar nicht glauben, Captain! Sie haben abgenommen. Ja, der Inspector ist da, er ist jetzt im zweiten Stock.
     Soll ich Sie melden?«
    »Nein danke, Mavis, ich geh einfach zu ihm hoch.«
    Er schritt an ihrem Schreibtisch vorbei ins Innere des Gebäudes, Erinnerungen hämmerten an die Tür zu seinem Gedächtnis. Er
     hätte nicht hierher kommen sollen, ging ihm durch den Kopf. Er hätte sich mit O’Grady woanders treffen sollen. Polizeibeamte
     saßen in ihren Büros, gingen an ihm vorüber, fremde Gesichter, die er niemals zuvor gesehen hatte. Er ging die Treppe zum
     obersten Stock hinauf, passierte die Teeküche, entdeckte dort jemanden, ließ sich den Weg beschreiben. Und dann stand er vor
     O’Gradys Büro.
    Der fette Kerl hinter dem Schreibtisch blickte auf, als er hörte, wie jemand gegen den Türrahmen klopfte.
    |38| »Hallo, Nougat.«
    O’Grady blinzelte. »O Gott.«
    »Nein, trotzdem danke …«
    Er ging zum Schreibtisch, streckte die Hand aus. O’Grady wuchtete sich halb aus dem Stuhl, reichte ihm die Hand, setzte sich
     wieder, noch immer stand ihm der Mund halb offen.
    Van Heerden zog einen importierten Nougatriegel aus seiner Jackentasche. »Isst du die noch?«
    O’Grady blickte den Riegel noch nicht einmal an. »Ich kann’s einfach nicht glauben!«
    Er legte die Süßigkeit auf den Schreibtisch.
    »O Gott, van Heerden, das ist Jahre her. Das ist, als würde man ein Gespenst sehen.«
    Er setzte sich auf einen der grauen Stahlstühle.
    »Aber ich nehme an, Gespenster bekommen keine blauen Augen«, fuhr O’Grady fort und griff sich das Nougat. »Was ist das? Ein
     Bestechungsversuch?«
    »So könntest du es nennen.«
    Der dickleibige Mann fummelte an der Zellophanverpackung. »Wo hast du gesteckt? Wir reden schon gar nicht mehr über dich,
     weißt du das?«
    »Ich war eine Weile in Gauteng«, erfand er.
    »Bei der Polizei?«
    »Nein.«
    »O Gott, warte, bis ich das den anderen erzähle. Also, was ist mit deinem Auge passiert?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Kleiner Unfall. Ich brauche deine Hilfe, Tony.« Er wollte das Gespräch so kurz wie möglich halten.
    |39| O’Grady biss vom Nougat ab. »Du weißt ziemlich gut, wie du die bekommen kannst.«
    »Du warst für den Smit-Fall zuständig. Letzten September. Johannes Jacobus Smit. Wurde in seinem Haus ermordet. Begehbarer
     Safe …«
    »Du bist jetzt also Privatdetektiv.«
    »So was Ähnliches.«
    »O Gott, van Heerden, das ist doch ein beschissenes Leben. Warum kommst du nicht wieder zu uns?«
    Er atmete tief ein, musste die Angst und die Wut unterdrücken.
    »Erinnerst du dich an den Fall?«
    O’Grady starrte ihn lange an, nur seine Kiefer bewegten sich, während er das Nougat mampfte, er kniff die Augen zusammen.
Er sieht genauso aus wie immer
, dachte van Heerden.
Kein bisschen fetter, kein bisschen dünner.
Noch immer der klobige Polizist, der seinen scharfen Verstand hinter seiner schillernden Persönlichkeit und seinem schweren
     Körper versteckte.
    »Und welches Interesse hast du daran?«
    »Seine Lebensgefährtin fahndet nach einem Testament, das im Safe gewesen ist.«
    »Und du sollst es finden?«
    »Ja.«
    Er schüttelte den Kopf. »Ein Privatschwengel, heilige Scheiße! Du warst mal gut.«
    Van Heerden atmete tief durch. »Das Testament«, sagte er.
    O’Grady sah ihn über den Nougatriegel hinweg an. »Ach, das Testament.« Er legte die Süßigkeit auf den Schreibtisch und schob
     sie zur Seite. »Weißt du, das war das Einzige, was |40| irgendwie nicht passte.« Er lehnte sich zurück, faltete die Arme über dem Bauch. »Dieses verdammte Testament. Zunächst war
     ich mir sicher, dass sie es war. Oder jemanden angeheuert hatte. Es hätte verdammt gut gepasst. Smit hatte keine Freunde,
     keine Geschäftspartner, keine Angestellten. Aber sie kamen rein, folterten ihn, bis er ihnen die Kombination verriet, räumten
     den Safe aus und brachten ihn um. Sonst nahmen sie nichts mit. Das war ein Insider-Job. Und sie war die Einzige, die sich
     auskannte. Sagte sie jedenfalls.«
    »Folterten ihn?«
    »Verbrannten ihm mit einem Schweißbrenner die Haut. Die Arme, Schultern, Brustkorb, Eier. Im Allgemeinen nennt man
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