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Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman

Titel: Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman
Autoren: Deon Meyer
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Abend. »Er muss sich ausruhen«, sagte die Krankenschwester fürsorglich.
    »Sie wartet schon eine ganze Woche darauf«, sagte seine Mutter.
    »Aber sie ist die Letzte für heute.«
    »Versprochen.«
    Als ob sie in dieser Angelegenheit irgendetwas zu sagen gehabt hätte.
    Sie verließen das Zimmer, während Hope eintrat. »Van Heerden«, sagte sie. Mit einem Blick erfasste sie den Tropf, die mittlerweile
     abgeschalteten Monitore, die Verbände und die tiefen, dunklen Ringe um seine Augen; ein besorgtes Stirnrunzeln lag auf ihrem
     Gesicht.
    Er sah sie an und bemerkte etwas: ein kurzer Blick nur, ein huschender Schatten.
    Etwas an ihr hatte sich verändert, wie sie ihre Schultern hielt, ihren Kopf und ihren Hals, etwas in ihren Gesichtszügen,
     in ihren Augen. Als hätte sie sich mit gewissen Dingen abgefunden.
    Sie hatte ihre Unschuld verloren, dachte er. Sie hatte das Böse gesehen.
    »Wie kann ich Ihnen danken?«
    »Im Schrank, unteres Fach«, sagte er. Seine Stimmbänder hatten sich vom Beatmungsschlauch noch nicht ganz erholt. |562| Er wollte nicht, dass sie ihm dankte, weil er nicht wusste, wie er darauf reagieren sollte.
    Sie zögerte einen Augenblick, war überrascht, beugte sich dann hinab und öffnete die Metalltür des Schranks.
    »Der Ordner.«
    Sie nahm ihn heraus.
    »Sie haben ein Recht, es zu wissen«, sagte er. »Sie und Tiny. Aber dann muss er vernichtet werden. Das habe ich mit Joubert
     so ausgemacht.«
    Sie überflog die ersten Seiten, dann nickte sie.
    »Sie müssen mir nicht danken.«
    Ihr Gesicht zeigte eine Reihe von Gefühlsregungen, sie wollte etwas sagen, dann verkniff sie es sich aber doch.
    »Sind Sie … sind Sie okay?«
    Sie setzte sich neben das Bett. »Ich habe mit einer Therapie angefangen.«
    »Das ist gut«, sagte er.
    Sie sah weg, dann wieder zu ihm. »Es gibt einiges, was ich Ihnen sagen möchte.«
    »Ich weiß.«
    »Aber das kann warten.«
    Er sagte nichts.
    »Kemp lässt Grüße ausrichten. Er sagt, wir hätten uns um Sie keine Sorgen machen müssen. Unkraut vergeht nicht.«
    »Kemp«, sagte er. »Immer der Erste, der seine Anteilnahme zum Ausdruck bringt.«
    Sie lächelte verhalten.
    »Sie müssen sich ausruhen«, sagte sie.
    »Das sagen mir alle.«
     
    |563| Am Morgen seiner Entlassung aus dem Krankenhaus, während er sich anzog und die Sachen zusammenpackte, erhielt er ein Paket,
     einen alten Weinkarton für sechs Flaschen, der in braunes Packpapier geschlagen und mit breiten Klebebandstreifen verschnürt
     war. Er war allein, als er ihn öffnete. Oben in einem weißen Umschlag steckte eine Nachricht, sie war auf dünnem Briefpapier
     verfasst, in einer unglaublich ordentlichen Handschrift.
    Ich habe einen Rand pro Dollar bekommen, weil die Scheine so alt sind. Für die Diamanten gab’s ein wenig mehr. Das ist Ihre
     Hälfte.
    Darunter nur das »O« für Orlando.
    Im Karton, dicht gepackt, bis oben hin gestapelt, lagen Unmengen 200-Rand-Noten.
    Er schloss den Karton.
    Blutiges Geld.
     
    Sein Haus war sauber und glänzte. Die Vorhänge waren durch neue ersetzt worden, aus leichterem Stoff, weiß und gelb und blassgrün,
     sodass die Sonne durchscheinen konnte. Auf dem Tisch standen Blumen.
    Seine Mutter.
    Er musste sich am Waschbecken waschen, die Dusche hätte seine Verbände durchtränkt. Er zog sich an und ging langsam zur Garage,
     in der Hand die Schlüssel für den Pick-up. An der Fahrertür musste er sich kurz ausruhen. Ihm war schwindlig.
    Er fuhr.
    Im Militärkrankenhaus musste er warten, während der Pfleger in Bester Brits’ Zimmer verschwand, dann erschien er wieder. »Er
     sagt, Sie können rein, aber Sie dürfen nicht lange |564| bleiben. Er ist noch immer sehr schwach. Und er kann nicht sprechen. Wir müssen seine Stimmbänder neu aufbauen. Er kann mit
     Stift und Papier kommunizieren, aber das strengt ihn sehr an. Also, bitte nicht lange.«
    Er nickte. Der Pfleger hielt ihm die Tür auf.
    Bester Brits sah aus wie der Tod. Blass, dünn, den Kopf von einer Klammer fixiert, im Arm eine Kanüle.
    »Brits«, begrüßte er ihn.
    Der Blick folgte ihm.
    »Ich habe Vergottinis Aussage gelesen. Ich glaube, ich verstehe alles. Soweit ich es verstehen kann.«
    Brits zwinkerte.
    »Ich weiß nicht, wie Sie lebend aus Botswana rausgekommen sind, aber ich kann’s mir vorstellen. Jemand kam noch rechtzeitig
     an Ort und Stelle, jemand …«
    Er sah, wie der Offizier ein Notizbuch zu sich heranzog und etwas schrieb. Er wartete. Brits drehte das Notizbuch um, sodass
     er
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