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Tod und Töttchen - Westfalen-Krimi

Tod und Töttchen - Westfalen-Krimi

Titel: Tod und Töttchen - Westfalen-Krimi
Autoren: emons Verlag
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besten gleich klarstellen, mein Freund: Sie
sind derjenige, der etwas braucht, nämlich Fälle. Und ich verschaffe Ihnen
einen.«
    Wie gesagt, der Kerl lag mir nicht besonders. »Falls Sie vorhaben,
mich herunterzuhandeln …«
    »Blödsinn! Ich bezahle Sie bestens. Ein Honorar dieser Größenordnung
kriegen Sie sonst nur im Fernsehen zu sehen. Kommen Sie heute Nachmittag, sagen
wir so gegen achtzehn Uhr dreißig, ins ›Café Sieben‹. Ich spendiere Ihnen eine
heiße Schokolade, und wir besprechen alles.«
    Ich hatte keine Lust auf heiße Schokolade. Mich interessierte viel
mehr, wie der Schnösel herausbekommen hatte, dass mein Geschäft nicht gut ging.
Möglicherweise hatte man ihn darüber informiert, dass diese Tatsache so etwas
wie ein Gütesiegel darstellte. Die besten Detektive klagten immer über
Klientenmangel, das war absolut normal und hatte verschiedene Gründe. Vor allem
aber lag es daran, dass sie wählerisch blieben. Und dies galt gerade für Zeiten
wie diese, in denen man sich seine Klienten nicht aussuchen konnte. Wenn
protzsüchtige Auftraggeber glaubten, sie bräuchten nur mit heißer Schokolade
vor einer Schnüfflernase zu wedeln und schon hätten sie jemanden, der bereit
war, ihre krummen Geschäfte zu vertuschen, dann waren sie gewaltig auf dem
Holzweg.
    Eine aufrechte Haltung gab es nicht umsonst, und sie galt auch bei
Weitem nicht jedem unserer Branche als erstrebenswert. Jan W. Gorbitsch
zum Beispiel, ein Bekannter aus längst vergangenen Kindertagen, den ich auf dem
Existenzgründerseminar wiedergetroffen hatte, war sich für nichts zu schade.
Fast zwei Jahre lang hatten wir uns bemüht, eine gemeinsame Detektei
aufzuziehen, was hauptsächlich an seinem ausgeprägten Hang zum Selbstmitleid
gescheitert war. Seit drei Monaten residierte er jetzt drüben, auf der Südseite
des Bremer Platzes, in einer ehemaligen Zahnarztpraxis, die pleitegegangen war,
weil drei Praxen auf einer einzigen Straße nicht überleben konnten. »Ihr
Spezialist für vertrackte Fälle« – so warb er im Internet für seinen Laden.
Gorbitsch konnte einem leidtun. Offenbar bildete er sich ein, eine protzige
Ledergarnitur, Flachbildschirme an jeder Ecke und ein Wartezimmer mit
nervtötender Beschallung machten eine gute Firma aus. Wie er sich täuschte!
Sein Wartezimmer blieb öde und leer, was mir nicht entging, da ich hin und
wieder, nur wenn ich mir auf dem Bremer Platz ein wenig die Beine vertrat,
einen kurzen Blick durchs Fenster warf. Mit meinem Fernglas, das ich zufällig
dabeihatte, konnte ich sogar erkennen, dass auf dem Monitor seines Laptops
meist nur PC -Spiele flimmerten. Jan Gorbitsch, so
viel stand fest, konnte sich seine Fälle nicht aussuchen, weil es nichts zum Aussuchen
gab.
    Dass er trotzdem auf großem Fuße lebte, war für mich Rätsel und
Ärgernis zugleich. Nicht dass es mich auch nur ansatzweise interessierte, aber
Tatsache war, dass Gorbitsch fast jeden Tag zum Essen ausging. Außerdem hatte
er sich erst kürzlich einen neuen Wagen zugelegt, nicht etwa einen, der
Geschmack und Stil verriet, sondern ein Oldtimer-Cabrio aus den Fünfzigern,
knallrot mit weißen Felgen und historischem Kennzeichen. Neben der heißen
Schokolade war dieser Protzschlitten der Hauptgrund dafür, dass ich am
Mittwochabend trotz starker berufsethischer Bedenken im »Café Sieben«
aufkreuzte. Und das Gefühl, dass man schreiende Ungerechtigkeit nicht tatenlos
hinnehmen durfte.
    Es war zwei Wochen vor Weihnachten. Die Medien rätselten derzeit
über ein mysteriöses Virus, das Müdigkeit und scheinbar grundlose
Aggressionsanfälle auslöste, und das man in weihnachtlichen Leckereien
vermutete. Experten konnten bislang weder über die Herkunft noch die
Zusammensetzung Genaues sagen und beschränkten sich darauf, vor dem Verzehr
verschiedener Lebensmittel zu warnen. Momentan standen vor allem Produkte mit
Marzipan auf der roten Liste. Das waren nicht gerade ideale Bedingungen für ein
ungetrübtes Weihnachtsgeschäft.
    Wer aber wie ich darauf hoffte, sich frei vom Ausnahmezustand in der
City bewegen zu können, hatte sich gründlich verrechnet. Vom Teenager bis zum
betagten Achtzigjährigen – alle waren da und drängelten und schubsten, hier und
da flammten kleine Schlägereien auf um Artikel, die mehrere Kunden gleichzeitig
für sich beanspruchten. Schlangen von Kaufwilligen belagerten die Kassen, und
so mancher hätte dem vor ihm Stehenden gern ein Messer in den Rücken gerammt,
nur um seinen Weihnachtseinkauf
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