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Tod und Töttchen - Westfalen-Krimi

Tod und Töttchen - Westfalen-Krimi

Titel: Tod und Töttchen - Westfalen-Krimi
Autoren: emons Verlag
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versprach, meine komplizierten
Erklärungen künftig für mich zu behalten.
    Am nächsten Morgen waren die Temperaturen leicht gesackt. Es
nieselte immer noch, allerdings in Form von winzigen Schneeflöckchen, die
Weihnachtsfans sicher in Verzückung versetzten. Während des Frühstücks
blätterte ich im Telefonbuch und fand Hermine Tiedemanns Nummer. Ihre Stimme
klang kühl und distanziert, bis ich Gorbitschs Namen erwähnte. Von da an konnte
sie es gar nicht mehr erwarten, dass ich ihr einen Besuch abstattete.
    Die Adresse entpuppte sich als ein schickes Eigenheim am östlichen
Rand von St. Mauritz, jenseits der Umgehungsstraße. Eine privilegierte
Lage, die einen unverbauten Blick auf die Prärielandschaft in der Umgebung
Wolbecks gewährte. Die Schneeflöckchen waren inzwischen fetter geworden und
hatten es sich überall gemütlich gemacht. Der weitläufige Garten des Anwesens
in seiner weißen Pracht erinnerte an Schuberts Weihnachtskarten. Allzu schnell
verwechselte man den Kitsch mit Realitätsferne: Hier stand ich und hatte zur
Kenntnis zu nehmen, dass nicht die Fotos kitschig waren, sondern die Welt, die
sie abbildeten.
    Ich lehnte mein Rad gegen die Steinmauer, die das Grundstück nach
außen begrenzte, und trat an ein mit Kupferplatten beschlagenes Gartentor. Noch
bevor ich eine Klingel fand, wurde es geöffnet.
    Vor mir stand ein Mann, den ich um die fünfzig schätzte. Mit seinem
krausen Haar, der dicken Brille und den abstehenden Ohren erinnerte er entfernt
an Gorbitsch, allerdings war er größer und fülliger. Er starrte mich an, und
dann öffnete er den Mund in grenzenloser Verwunderung, so, als sei ein Mensch
so ziemlich das Letzte gewesen, was er vor dem Tor erwartet hatte. Sein Arm hob
sich, schwenkte auf mich zu wie der eines Krans und zeigte auf mich. »Frings,
stimmt’s? Ole Frings?«
    »Ich bin mit Frau Tiedemann verabredet«, nickte ich.
    »Das gibt’s ja nicht!«, jauchzte der Mann, auf dem besten Weg, die
Fassung zu verlieren. »Frings! Was hat dich denn bloß hier in diese Gegend
verschlagen?«
    »Kennen wir uns eventuell?«
    »Das ist ja ein Ding! Der gute alte Frings.« Der Arm ruderte
auffordernd. »Immer hereinspaziert. Die Chefin erwartet dich schon.«
    Ich trat in den Garten.
    »Das ist ja ein Zufall, was? Also ja, das ist es wirklich … Wie
lange mag das jetzt her sein?«
    Ich hatte keine Ahnung. Vor allem hätte ich gern gewusst, was wie lange her war. Während ich hinter dem Mann durch
den Schnee stapfte, überlegte ich fieberhaft, kam aber nicht drauf. Es blieb
mir nichts anderes übrig, als ihn aus dem Himmel der Seligkeit herabzuholen.
»Ehrlich gesagt, ich habe nicht die geringste Ahnung, wer du bist.«
    Der Mann zuckte zusammen, als hätte ich ihm in den Rücken
geschossen. Er drehte sich um und musterte mich mit einem tief enttäuschten
Blick. »Du hast mich also nicht wiedererkannt?«
    »Würde ich sonst fragen?«
    »Cornelius Löwenich«, stellte er sich vor und wartete einen Moment.
»Na, klingelt’s jetzt immer noch nicht?«
    »Vielleicht ja«, behauptete ich, aber ehrlich gesagt war nicht das
Geringste zu hören.
    »Conny Löwenich, klar weißt du das noch. Wir waren auf der gleichen
Schule, ich war eine Klasse unter dir. Einmal haben sie dir das Fahrrad
gemopst, und ich habe dir gezeigt, wo sie es versteckt hatten. Na?«
    Wenn ich bloß gewusst hätte, wovon er sprach. »Ach, das meinst du …«
    »Na, siehst du. Jetzt kommt’s wieder, was?«
    »Diese Sache mit dem Fahrrad. Das warst du also …«
    »Genau.«
    »Hi, Conny«, sagte ich. »Tut mir leid, dass ich dich nicht sofort
erkannt habe.«
    Endlich war er zufrieden und stapfte wieder auf dem Kiesweg voran.
    »Du arbeitest hier?«, erkundigte ich mich.
    »Tja, sozusagen. Bringe den Garten in Form, damit er gut durch den
Winter kommt. Ist auch höchste Zeit, was?«
    »Dann bist du also Gärtner?«
    »Nicht so ganz. Von Haus aus bin ich Künstler. Aber du weißt ja, wie
das ist: Heutzutage muss man sich schon mal auf Jobs einlassen, die leicht
abseits des beruflichen Spektrums liegen. Außerdem geht mein Aufgabenbereich
weit über die klassische Gartenarbeit hinaus.«
    Was das bedeutete, erfuhr ich schon bald darauf: Löwenichs
Aufgabenbereich beinhaltete auch, mich ins Haus zu geleiten, mir den Mantel
abzunehmen und mich um ein paar Minuten Geduld zu bitten.
    Während des Wartens sah ich mich um. Ich befand mich in einem
großzügigen Wohnraum mit Parkettfußboden und einigen Sitz- und Regalmöbeln aus
Stahl
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