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Tod und Töttchen - Westfalen-Krimi

Tod und Töttchen - Westfalen-Krimi

Titel: Tod und Töttchen - Westfalen-Krimi
Autoren: emons Verlag
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zu sein.
    Der Rückweg führte mich an der ehemaligen Zahnarztpraxis vorbei.
Es nieselte und ein eisiger Wind wehte, trotzdem blieb ich stehen und warf
einen Blick durch die großzügigen Fenster. Jans Schreibtisch, zu erkennen an
der ketchupbekleckerten Pommesschale, die zwischen den chaotischen
Papierstapeln hervorragte, lag verwaist da. Auf eine Sitzgruppe aus hässlichem
hellblauem Kunstleder blickte Humphrey Bogart als Sam Spade von einem Poster
herab, das Gorbitsch sich von Amazon besorgt hatte. Nebenan lag das
Wartezimmer. Ein Plastikchristbaum mit roter Lichterkette stand in der Ecke,
auf dem Tisch lagen haufenweise Klatsch- und Tratsch-Illustrierte, die
vermutlich noch aus der Zeit stammten, als es dort nach Desinfektionsmittel
roch und einem das Geräusch des Bohrers in den Ohren gellte.
    Das Poster an dieser Wand hatte ich Gorbitsch zu seinem letzten
Geburtstag geschenkt: Es zeigte Thiel und Boerne, das Team aus dem
Münster-Tatort, grinsend auf dem Prinzipalmarkt, darunter die Unterschriften
der Stars – die Autogramme hatte ich eigenhändig aufgemalt.
    Der Rechtsmediziner und der Kommissar waren aber nicht die einzigen
Gesichter im Wartezimmer: Auf einer der ungemütlichen Sitzgelegenheiten hockte
ein milchgesichtiger Schnösel im hellgrauen Anzug, Typ mittelständischer
Unternehmer. Mit einer koketten Geste streckte er seine Hand vor und warf einen
prüfenden Blick auf die Nägel. Durch das dritte Fenster sah man ins Vorzimmer:
Svedlana, Gorbitschs russische Praktikantin, hatte ihre wohlgeformten Beine auf
den Schreibtisch gelegt und telefonierte. Die Kürze ihres Rockes sowie die
Ausmaße ihres Dekolletés ließen darauf schließen, dass es da drinnen mollig
warm war, und machten die Kälte hier draußen noch mal so kalt.
    »Die Frau ist einsame Spitze, was?« Neben mir stand Jan Gorbitsch
und grinste amüsiert. »Ich meine natürlich als Bürokraft.«
    »Natürlich.«
    »He, komm doch rein, Ole. Wir könnten Christstollen essen und ein
bisschen reden. Was hältst du davon?«
    »Nein, danke, Jan.« Eigentlich war nichts gegen Stollen einzuwenden,
aber den Triumph gönnte ich ihm nicht. »Ich hatte gerade einen geschäftlichen
Termin. Du weißt, wie das ist, da gibt es zu essen ohne Ende, ob du willst oder
nicht.«
    Er nickte anerkennend. »Die Geschäfte laufen also gut?«
    »Bestens.«
    »Freut mich zu hören. Dann brauche ich gar nicht erst
weiterzureden.«
    »Reden? Über was?«
    »Ich hätte einen Tipp für dich gehabt. Das hat sich ja nun
erledigt.«
    »Ja, das hat es wohl«, nickte ich. Noch war ich nicht so tief
gesunken, dass ich nach detektivischen Almosen schnappte, die mir die
Konkurrenz zuwarf.
    Svedlana war jetzt von ihrem Stuhl aufgestanden und zu einem
Waschbecken getreten, über dem sich ein Spiegel befand. Einer Plastiktüte
entnahm sie einen schwarzen Spitzen- BH und hielt
ihn sich an. Natürlich musste ich mich täuschen, aber für einen winzigen Moment
schien es, als habe sie vor, ihn anzuprobieren.
    Ich sah ihr gebannt zu.
    »Ein Geschenk für ihre Schwester in St. Petersburg«, erklärte
Gorbitsch. »Sie fährt aber erst nach Weihnachten hin.«
    »Und selbst?«, fragte ich, um abzulenken, und nickte mit dem Kopf
zum Wartezimmerfenster. »Die Klienten stehen bei dir ja nicht gerade Schlange.«
    Gorbitsch zuckte mit den Schultern. »Bei mir muss niemand Schlange
stehen. Wenn du deinem Klienten was bieten willst, musst du ihn ernst nehmen.
Und das funktioniert, indem du ihm das Gefühl gibst, nur für ihn zu arbeiten.
Jedenfalls ist das mein Motto.«
    »Klar«, sagte ich, und Ärger wallte in mir auf, dass meine
Anspielung so an ihm abprallte. Sie schien ihn nicht mal aus der Ruhe zu
bringen. »Verdammt noch mal«, entfuhr es mir, »aber wie soll das denn
funktionieren, Jan: die Arztpraxis, dein Angeberschlitten, deine sogenannte
Praktikantin – wovon zum Teufel finanzierst du das alles? Von den Honoraren der
zwei Klienten, die du seit der Eröffnung deines Ladens hattest, kannst du doch
nicht mal die alten Illustrierten auf dem Tisch zahlen.«
    Gorbitsch lächelte ein gelassenes, geradezu überirdisches Lächeln.
Es passte nicht zu ihm, und ich erwog für einen Moment, es gewaltsam aus seinem
Gesicht zu entfernen.
    »Weißt du, Ole«, versetzte er heiter, »ich mache mir über solche
Dinge wenig Gedanken. Vielleicht hängt es damit zusammen.«
    »Womit?«
    »Aristoteles Onassis hat einmal gesagt: ›Dem großen Geld läuft man
nicht hinterher; man geht ihm entgegen.‹ Verstehst
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