Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod und Schinken: Krimi (German Edition)

Tod und Schinken: Krimi (German Edition)

Titel: Tod und Schinken: Krimi (German Edition)
Autoren: Uwe Voehl
Vom Netzwerk:
»Die Omma kommt ins Altenheim.« Und das war für uns Kinder nichts Schlimmes. Wir haben sie besucht, und sie hatte dort ihr kleines eigenes Zimmer mit all den Erinnerungsstücken, die wir aus ihrer alten Wohnung kannten. Gut, ein bisschen anders gerochen hat es als bei ihr zu Hause. Ein bisschen wie beim Zahnarzt.
    Heute kommen die Alten ins Pflegeheim, und wir zucken zusammen. Wir verdrängen die Bilder, die wir aus dem Fernsehen und aus den Nachrichtenmagazinen kennen: von den verdurstenden Alten, die gefesselt, fixiert , sagt man, in ihren Metallbetten krepiert sind. Von vollgeschissenen Windeln und Beruhigungsmitteln, die man den Demenzkranken verabreicht, damit sie einfacher zu handhaben sind.
    Ins Pflegeheim will niemand.
    Deswegen nennen sich manche dieser Anstalten Seniorenheim. Das hört sich anständiger an. Oder Seniorenpark. Da kauft man gleich die Idylle mit im Sack. Oder gar Seniorenresidenz. Für die, die sich auch im Alter noch ein bisschen besser fühlen als Lieschen Müller.
    Aber zurück zu Lotte Unverzagt. Lotte Unverzagt wohnte in keiner dieser Residenzen. Sie wohnte in einem ganz normalen Pflegeheim.
    Am Morgen des 10. 5. 2012 stieg sie mit ihrem Rollator in den Aufzug, der sie vom ersten Stock ins Erdgeschoss brachte. Von dort gelangte sie an der unbesetzten Rezeption vorbei ins Freie und ward von da an offiziell nicht mehr gesehen. Zumindest nicht lebend.

I. F LEISCH AM S TIEL
    Gute Herkunft – Gutes Fleisch
    (Werbeslogan einer Detmolder Metzgerei)

1.
    »Oh Gott, er bringt mich um!«
    Die blonde toupierte Dame in Pelz und schwarzen Strümpfen erinnerte an eine Filmdiva. Irgendwie überkandidelt und aufgedreht.
    Sie reichte mir höchstens bis zur Brust, und dennoch strahlte sie eine quirlige Präsenz aus, die im Gegensatz zu ihrer Körpergröße stand. Mit dieser Stimme hätte sie in jedem Edgar Wallace-Reißer die jeweilige Scream-Queen ersetzen können.
    Keine Ahnung, ob sie das bezweckt hatte, aber spätestens jetzt drehten sich sämtliche Kunden zu ihr um.
    »Keine Sorge, Frau Heuwinkel«, erklärte die Fachfrau hinter dem Tresen. »Die Kümmelsülze ist zwar aus, aber die Hausgemachte isst Ihr Mann genauso gern.«
    »Woher wollen Sie das denn wissen?«
    »Wir sind zusammen zur Schule gegangen«, erklärte Frau Schlüter ruhig. »Besonders in Mathe war er schlecht. Ich hab ihn immer abschreiben lassen …«
    Ein paar Kunden schmunzelten. »Also gut, geben Sie mir die Hausgemachte. Wenn’s Herbert nicht schmeckt, schicke ich ihn vorbei, und Sie haben die Konsequenzen zu tragen.«
    Sie sagte es so, dass man sie nicht ernst nehmen konnte. Ihre theatralische Art amüsierte mich.
    »Wenn nicht, bestellen Sie ihm schöne Grüße«, erwiderte Frau Schlüter. »Er hat noch was gutzumachen bei mir.« Sie blinzelte der Kundin zu, schnitt ein Stück ab, wog es und sagte: »Zweihundert Gramm, was meinen Sie, reicht das zum Frühstück?«
    Frau Heuwinkel war sich plötzlich nicht mehr sicher. »Ich hasse Sülze. Dieses glibberige Zeug finde ich einfach nur eklig. Ich habe keine Ahnung, wie viel Herbert davon zum Frühstück vertilgt. Aber vielleicht hat er Ihnen das ja auch schon damals auf der Schulbank verraten?«
    »An seine Pausenbrote erinnere ich mich nicht mehr so genau«, erwiderte Frau Schlüter. Im Gegensatz zu der künstlichen Diva wirkte sie umso bodenständiger. Sie war etliche Jahre älter als diese; ein paar graue Strähnen in ihrem ansonsten dunklen Haarschopf zeigten es geradeheraus. Und sie war nicht mehr geschminkt, als es für eine Fleischermeisterin vonnöten war. Sie war etwas füllig, ohne dass sie jedoch dick wirkte. Sie hatte ein hübsches Gesicht. Trotzdem musste ich bei ihrem runden Kopf immer an die Wurst mit Gesicht denken, die der Hit bei ihren minderjährigen Kunden war. Ihre Wangen waren gerötet, wodurch sie noch pausbäckiger wirkten und an eine Putte erinnerten. Ein Zeichen dafür, dass sie sich im Moment ziemlich ärgerte.
    Ich ließ meine Gedanken schweifen. Warum war ich überhaupt hier?
    Ich betrachtete die Auslage hinter dem Glas. Genau, ich wollte ein Schaschlik machen. Zwar bot Schlüter bereits fertiges an, aber ich wollte es selbst zubereiten: mit Speck, Paprika, Zwiebeln und Gurken …
    »Im Übrigen ist das kein Glibber an der Sülze, sondern Gelee«, hörte ich Frau Schlüter sagen. »Wissen Sie überhaupt, wie aufwendig unsere hausgemachte Sülze hergestellt wird? Also, ich erklär’ Ihnen das gerne mal …«
    Es konnte also noch länger dauern, bis
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher