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Tod und Schinken: Krimi (German Edition)

Tod und Schinken: Krimi (German Edition)

Titel: Tod und Schinken: Krimi (German Edition)
Autoren: Uwe Voehl
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ich an der Reihe war. Zumal vor mir noch drei weitere Kunden geduldig anstanden.
    In diesem Moment sah ich die schwarze Gestalt draußen vor dem Schaufenster. Sie war wirklich schwarz: von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet. Das einzig Bunte war die rote Zunge seiner schwarzen Puma-Sneakers mit grauem Raubkatzenemblem. Das Gesicht war mit einer Sturmhaube vermummt.
    Die Gestalt holte einen Stiel hervor. An dem Stiel war ein Beil. Im nächsten Moment schwang sie die Waffe wie ein Tomahawk. Noch konnte ich nicht recht fassen, was ich da sah, doch spätestens, als das Beil durch die Luft flog und die Scheibe in tausend glitzernde Einzelteile splitterte, reagierte ich. Ich warf mich nach vorn, bekam Frau Heuwinkel zu fassen, und gemeinsam landeten wir auf dem Boden. Das Beil segelte über unsere Köpfe hinweg und zerteilte die Schale mit der Sülze in zwei Hälften.
    Ein oder zwei Sekunden lang herrschte eine unnatürliche Stille. So als hätte jemand plötzlich das Radio abgedreht. Doch dann erschallte es umso lauter: Die ungefähr zehn Kunden und die drei Verkäuferinnen im Laden redeten wild durcheinander, eine Frau schrie um Hilfe, ein Kind weinte.
    »Ich glaube, Sie können mich jetzt wieder loslassen«, sagte Frau Heuwinkel unter mir. Sie klang plötzlich gar nicht mehr so künstlich arrogant. Das ganze Gehabe war von ihr abgefallen wie eine synthetische Wurstpelle. Ihr toupiertes Haar war in Unordnung geraten. Ein paar blonde Strähnen fielen ihr in die Stirn und verliehen ihr etwas Verwegenes.
    Ich sah sie plötzlich mit ganz anderen Augen. Konnte sie etwas dafür, dass sie halb so alt war wie der alte Heuwinkel? Und wahrscheinlich auch nur halb so reich? Oder überhaupt nicht reich? Manche kolportierten, sie wäre arm wie eine Kirchenmaus gewesen, als ihr zukünftiger Ehemann sie, die sich zwar Schauspielerin schimpfte, es aber noch nicht einmal in eine Vorabendserie geschafft habe, draußen in einem Schlafsack vor der Roten Flora aufgelesen habe. Früher war das Flora tatsächlich einmal ein Theater gewesen, heute beherbergte es das Autonome Zentrum im Hamburger Schanzenviertel. All das wusste man zu erzählen, und es war irgendwie auch bis zu mir gedrungen.
    Ich nickte und rappelte mich auf. Danach half ich Frau Heuwinkel auf die Beine. Ihre schwarze Strumpfhose hatte bei dem Zwischenfall einen Riss davongetragen.
    »Was starren Sie so?«, zischte sie.
    »Ein schlichtes Dankeschön hätte gereicht«, lächelte ich zurück.
    »Dafür, dass Sie mir die Strumpfhose zerrissen haben?«
    »Wahrscheinlich wäre es Ihnen lieber gewesen, wenn Ihr hübscher Kopf skalpiert worden wäre.«
    »Skalpiert?«
    Ich wies auf den Tomahawk. »Es hätte uns fast erwischt.«
    Erst jetzt schien sie zu begreifen, was überhaupt geschehen war. Einen Moment lang malte sich der Schrecken auf ihrem Gesicht ab. Dann schob sie wieder die Maske davor. Diesmal die des trotzigen Kindes.
    Doch plötzlich änderte sich ihr Gesichtsausdruck abermals. Ich las Panik darin.
    »Paule!«, schrie sie auf. »Gehen Sie mir aus dem Weg!«
    Sie rannte an mir vorbei, und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sie jetzt nicht schauspielerte. Ich sah mich kurz um. Bis auf die Sülze hatte niemand etwas abbekommen. Allen saß noch der Schreck in den Knochen. Das Kind weinte. Die Mutter tröstete den Kleinen. Die anderen Kundinnen redeten noch immer wild durcheinander.
    Ich folgte der Frau nach draußen. Gestikulierend stand sie am Geländer, das die drei Stufen zum Laden säumte.
    »Er ist weg! Paule ist weg!«, sagte sie atemlos. Sie machte keine Szene. Ihre Sorge war wirklich echt.
    »Mein Dackel!«, erklärte sie mir. »Ich habe ihn hier angebunden.«
    Eine echte Träne lief ihr über die linke Wange.
    In diesem Augenblick tat sie mir leid. »Wir finden ihn schon wieder«, sagte ich. »Er kann ja nicht weit sein. Wahrscheinlich hat er einen Schreck bekommen, hat sich losgerissen und …«
    »Paule hat sich noch nie losgerissen. Das hätte er gar nicht geschafft. Es war ein Lederhalsband. Und, wo bitte, ist die Leine abgeblieben?«
    Ich hielt es für müßig zu antworten. Inzwischen hatte sich bereits eine Handvoll Schaulustiger eingefunden.
    »Was das kostet!«, entrüstete sich ein Rentner. »Eine Scheibe von dieser Größe ist nicht billig!«
    Er sah mich so misstrauisch an, als hätte ich den Schaden verursacht.
    Unschlüssig sah ich mich um. Ich schaute in die Richtung, in die der Vermummte verschwunden war. Es war nichts mehr von ihm zu sehen.
    »Jetzt
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