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Tod Live

Tod Live

Titel: Tod Live
Autoren: D.G. Compton
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Glauben des Romantikers an eine andere Zeit, eine Vergangenheit oder Zukunft, die besser gewesen war oder besser sein würde. Dachte ich.
    Dr. Mason ließ sie reden, brachte sie dann ohne große Mühe auf ihre Symptome der letzten Wochen: Schlimme Symptome. Sie besprach sie jedoch bereitwillig, wenn auch – wieder in der romantischen Tradition – nur in sehr allgemeinen Worten, als seien Herzklopfen oder milchig-trüber Urin oder Sehstörungen auch rein und schön und nur in reinen und schönen Situationen vorstellbar. Die Symptome kamen ihr ganz unwirklich vor, etwa wie die Blähungen und das diskrete Dahinscheiden ihrer viktorianischen Vorbilder.
    Dann brach sie in Tränen aus.
    Gewiß, ich hatte Heulen und Zähneklappern erwartet, aber doch nicht so schnell. Neben mir versuchte Vincent nicht vorhandene Asche vom Ende seiner Zigarre zu schnipsen. Im Gegensatz zu mir war er keineswegs verlegen. Die Emotionen anderer Leute erregten ihn.
    »Was soll aus mir werden?« fragte sie. Aber der hübsche Effekt wurde durch ein feuchtes Kleenex getrübt.
    »Sind Sie nicht ein wenig voreilig, Katherine?«
    »Ich kann mir nicht länger etwas vormachen.«
    »Vormachen?«
    »Na ja, mir vormachen, nicht zu wissen, warum Sie mich haben rufen lassen.«
    Auch das hätte er noch abblocken können. Ich war froh, daß er den Anstand hatte, es nicht zu tun.
    »Ein verwaltungstechnischer Scheiß-Irrtum war gar nicht so unwahrscheinlich.« Wie leicht, gütig zu sein, wenn man Gott war. »Die Chancen standen gut, daß Sie’s geglaubt hätten.«
    »Sie kennen mich doch besser, Doktor.«
    Er reichte ihr die Hände. »Was sollte ich tun?« fragte er.
    »Sie hätten mich nicht warten lassen dürfen.« Die Lügen des Gottes waren schnell vergessen. »Sie hätten mich sofort sprechen können.«
    Die Verzögerung war unsere Schuld gewesen. Es kostet Zeit, Projekte dieser Art vorzubereiten… Ich glaube, in diesem Augenblick begann ich Katherine Mortenhoe zu hassen – wegen der Dinge, die mit ihr geschehen sollten.
    »Tut mir leid, Katherine. Wir stecken bis zum Hals in Arbeit. Ich habe Sie so schnell wie möglich rangenommen.«
    »Und jetzt bin ich hier. Also raus damit.«
    Er machte einiges mit seinen Händen, langte in die Schublade nach dem Printout. »Die Sache ist ziemlich kompliziert. Nur um sicherzugehen, haben wir ein Testprogramm durchlaufen lassen.«
    Ich sah sie nun richtig an. Sie war ruhig, hatte Tränen zunächst eingedämmt und empfand keine Angst mehr. Ihre Haltung war nonnenhaft, Symbol der Hinnahme einer erwarteten – verdienten? – Strafe. ›Nonnenhaft‹ – das gefiel mir. Den Zuschauern würde es auch gefallen. Aber sie und ich, wir hatten noch einen langen Weg vor uns.
    »Ich möchte keine komplizierten Einzelheiten hören. Sagen Sie’s mir einfach.«
    »Wie ich schon sagte, es ist ziemlich kompliziert.«
    »Ich möchte einen Eingriff.«
    »So einfach ist das nicht.«
    »Ich will einen Eingriff, wie groß das Risiko auch ist.«
    »Hören Sie mir zu, Katherine.«
    »Eine Operation, Doktor. Meine Erneuerung steht bevor. Die Sache muß vor der Erneuerung erledigt sein.«
    »Katherine, so hören Sie doch mal zu!«
    Aber sie hörte nur auf sich selbst. »Er ist zu freundlich. Er wird aus reiner Freundlichkeit erneuern. Es muß also operiert werden. Er darf nicht aus Freundlichkeit erneuern. Ich möchte eine Operation, bei jedem Risiko.«
    »Katherine, Sie müssen sich klarmachen, daß eine Operation unmöglich ist.«
    »Aber das ist Unsinn. So etwas ist immer möglich.«
    »Das bilden sich die Menschen ein. Leider trifft es nicht immer zu.«
    »Ein paar Wochen im Krankenhaus, Doktor. Das könnte ich mühelos einrichten.« Sie bestürmte ihr Ziel wie eine Motte.
    »Hören Sie auf, Katherine.« Es war beiden eine Hilfe, daß er nun ärgerlich war. »Hören Sie auf. Für Ihre Krankheit gibt es keine Heilung. Sie müssen das begreifen. Es gibt keine Heilung für Ihre Krankheit.«
    Einen Augenblick lang, ehe der Vorhang fiel, sah ich ihr armes Gesicht. Vincent hatte gesagt, ihm wäre ein wenig Engagement gerade recht. Er würde es bekommen.
     
    Ihre Haut begann zu jucken. Am ganzen Körper war ihr so heiß.
    Sie fragte Dr. Mason nicht, was er meinte. Auch widersprach sie nicht. Sie begriff sofort, was er meinte, was er ihr sagte, und sie glaubte ihm, weil sie ihm immer geglaubt hatte und er immer recht behalten hatte. Sie dachte an die Erneuerung.
    »Wie lange habe ich noch?« fragte sie.
    »Wir hätten uns eher mit Ihnen in
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