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Tod Live

Tod Live

Titel: Tod Live
Autoren: D.G. Compton
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sondern eine Art Ziel hatte… Ich erwiderte, ich würde ihr helfen. Ja, und dann sagte sie etwas Komisches. Sie sagte: ›Ich bin kein Zerstörer.‹ Oder etwas Ähnliches. ›Ich bin kein Zerstörer.‹«
    Harry seufzte. »Panzerkreuzer«, sagte er. »Wenn Sie hier schon reden, sollten Sie sie richtig zitieren. Der Gedanke ging ihr immer im Kopf herum. So hatte ihr erster Mann sie genannt. Sie können leicht behaupten, ich hätte nichts über sie gewußt, aber…«
    Er verstummte, als er die veränderte Atmosphäre im Zimmer bemerkte. Dr. Klausen lehnte sich zurück und nahm seine Brille ab. »Ganz einfach«, sagte er. »Eine empfindsame Frau, die nicht als Panzerkreuzer gelten wollte.«
    »Mein lieber Klausen…« Vincent bewegte einige Papiere auf seinem Tisch. »Mein lieber Klausen, wenn Sie sich Ihre Unterlagen ansehen, werden Sie sehen, daß wir diese Möglichkeit gleich am Anfang berücksichtigt haben. Wir sind ja keine absoluten Dummköpfe. Die Polizei war bei Gerald Mortenhoe und hat ihn angewiesen, sich sofort zu melden, wenn seine ehemalige Frau auftaucht.«
    »Hätte er diese Anweisung befolgt? Würde das ein Mann in seiner Position tun?«
    »Er ist ein pflichtbewußter Bürger. Ich bin sicher, daß ihm die Polizei die Lage erläutert hat.«
    »Aber Sie müssen doch zugeben, daß seine Gefühle in dieser Angelegenheit zumindest geteilt sein können?«
    Langsam legte Vincent seine Zeitungsausschnitte fort und setzte sich wieder mit dem Lufttransport-Veranwortlichen in Verbindung – in der Art eines Mannes, der es einem besonders lästigen Kind recht machen will.
     
    Das Mittagessen war längst vorbei. Sie fragte sich, ob Gerald bemerkt hatte, daß sie gar nichts gegessen hatte. Sie hatte das Gefühl gehabt, es wäre – unpassend gewesen, jetzt zu essen. Seither hatten sie weiter zusammengesessen, zu dritt in der Sonne, und hatten immer weniger gesprochen. Die beiden Männer gaben ihr ein Gefühl der Sicherheit. Sie erinnerte sich an Geralds Kraft, eine Kraft, die sie früher abgelehnt hatte. Diese Kraft war aus einem Guß. Aber sie, unfertig, hatte sich ihm widersetzt, hatte ihm auf der Seele gelegen, ihn vertrieben.
    Roddies Kraft war etwas anderes. Sie war ohne Vernunft, hartnäckig angesichts der Ernüchterung über die eigene Person. Diese Kraft hatte versagt, hatte falsche Wege genommen, doch er hatte nie den Glauben an diese Möglichkeit verloren.
    So saßen die drei in dem hellen, grünen Garten, und Katherines Gedanken, die sich seit langem immer mehr überschlagen hatten, die immer schneller durcheinandergewirbelt waren, beruhigten sich und untersuchten jede einzelne Notwendigkeit. Sie erlebte sich selbst. Sie war eins. Sie war so alt wie der Boden unter dem Gras unter ihren Füßen. Sie war zu Hause. Sie hätte auf ewig leben können – ein Atemzug nach dem anderen war alles, was sie brauchte –, doch es schien ihr viel vernünftiger und vornehmer und klüger zu sein, zu sterben.
     
    Wahrscheinlich hatte ich angenommen, daß sich mein Gehör um hundert Prozent verbessern würde, nur weil ich nun blind war. Natürlich war das nicht so. Ich hatte mir gerade überlegt, daß ich das erste, leise Rattern des herannahenden Hubschraubers taktvoll überhören wollte, als Gerald schon darauf hinwies.
    »Ist nicht mehr wichtig«, sagte er. »Sie kommen – aber sie kommen zu spät, Gott sei Dank.«



Und ich war gekränkt. Mehr als jedes andere Gefühl erfüllte mich in diesem Augenblick die Kränkung. Daß ich es nicht gewußt hatte. Daß sie es mir nicht gesagt hatte.
    Da es immer weniger zu sagen gab, hatten wir zum Schluß kaum noch gesprochen. Trotzdem hätte es doch einen bestimmten Augenblick geben müssen, mehr als nur ein bloßes Aufhören, eine Sekunde, die ich in meiner Nähe, in meiner blinden Nähe erfaßt hätte. Ein Ereignis zwischen uns. Eine Bedeutung. Als hätte es nicht genügend Ereignisse und Bedeutung gegeben.
    Aber ich war gekränkt und stand auf und warf dabei etwas um, einen Tisch, etwas, das zu dicht neben mir gestanden hatte. Meine Augen weinten. Ich lief über das Gras auf das näher kommende, luftpeitschende Rattern zu. Und blieb stehen. Sie war tot, und ich hätte es besser wissen müssen. Ich wußte es besser. Ich wußte.
    Gerald folgte mir nur langsam. Er griff nicht nach mir, zerrte mich nicht zurück. »Sie werden auf dem Spielfeld bei der Turnhalle landen«, sagte er. »Dauert noch ein paar Minuten, bis sie hier sind.«
    Vor einem inneren Auge erschien plötzlich
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