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Tod in Innsbruck

Tod in Innsbruck

Titel: Tod in Innsbruck
Autoren: Lena Avanzini
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ihrem Handrücken. »Anlässlich meiner Verhaftung hat er sich zwar von seiner schlechtesten Seite gezeigt, aber am Ende war er sehr nett. Er hat mir sogar Blumen schicken lassen mit einer Karte, auf der er sich ziemlich schwülstig bedankt und entschuldigt hat.« Sie schluckte. »Wird er wieder gesund?«
    Robert zuckte mit den Schultern. »Schwer zu sagen. Man hat ihm den Magen entfernt, aber es besteht wohl Verdacht auf Metastasen. Er bekommt eine Chemotherapie und kämpft wie ein alter Löwe.«
    »Und ich dachte, er wäre längst in seinem Pensionistendomizil in Spanien.«
    »Darüber hat er mir eine hübsche Geschichte erzählt. Am schwersten habe ihn an seiner Krebsdiagnose getroffen, dass Thea, seine Frau, den Spanienflug stornieren musste. Bis sie ihm gestand, sie sei froh, hierzubleiben. Sie wäre nur ihm zuliebe nach Spanien gezogen. Dabei …«
    »Dabei wollte er nur ihretwegen hin.«
    »Genau. Wegen ihrer Arthritis.«
    Vera grinste. »Dann hat dieser fiese Krebs wenigstens etwas Positives bewirkt.«
    Robert lächelte. »Krebs hat durchaus paartherapeutisches Potenzial. Und er beinhaltet die Möglichkeit zu einem Neustart, wenn man es schafft, das Beste aus der Situation zu machen. Ich glaube, der Alte ist auf einem guten Weg.«
    Sie schwiegen und aßen.
    »Du bist schmal geworden«, sagte Vera, als ihr Teller leer war.
    Robert stocherte in seinen Nudeln. »Die letzten Wochen waren ziemlich dunkel.«
    »Es ist Brigittes Selbstmord, der dir zu schaffen macht, nicht wahr?«
    »Ich habe sie im Stich gelassen.«
    »Hast du dich nicht jahrelang um sie gekümmert? Auch nach der Scheidung?«
    »Ja, aber …«
    »Das ist mehr, als die meisten Menschen tun würden. Hat sie es dir gedankt?«
    »Nein, aber …«
    »Es ist nicht deine Schuld, Robert. Sie war erwachsen. Du hättest es nicht verhindern können.«
    »Das sagt meine Vernunft auch. Mein Herz ist ab und zu anderer Meinung. Beispielsweise wenn ich die Augen meiner Exschwiegermutter vor mir sehe; den Moment, als sie von der Kreuzfahrt zurückkam und ich es ihr beibringen musste.«
    Robert spießte drei Nudeln auf. »Aber ich arbeite mich langsam aus dem schwarzen Tunnel heraus. Und sehe wieder Licht.« Er steckte die Gabel in den Mund und kaute.
    Dann lächelte er Vera an und zog ein Stück Papier aus der Innentasche seiner Cordjacke.
    »Was ist das?«
    »Ein Ticket. In zwei Wochen fliege ich nach Australien.«
    »Was?«
    »Von der Weite dieses Kontinents habe ich schon als Kind geträumt. Und seit ich dem Tod in Gestalt von Mette Kindler knapp entronnen bin, habe ich beschlossen, meine Träume zu leben, anstatt ein Leben lang nur zu träumen.« Robert steckte das Ticket wieder ein.
    »Klingt fabelhaft. Und wie lange machst du Urlaub?«
    Er winkte mit der Gabel ab. »Kein Urlaub. Ich habe gekündigt.«
    Vera starrte ihn mit offenem Mund an.
    »Zuerst schaue ich mir zwei Monate lang das Land an, fahre herum und bleibe überall, wo es mir gefällt. Ab Juni arbeite ich für ein Jahr an einem Forschungsprogramm am Royal North Shore Hospital in Sydney mit. Es geht um die Entwicklung von Knochenersatzmaterialien.«
    »Und danach? Kommst du zurück?«
    »Wer weiß?«
    »Das ist ja abgefahren.« Vera erhob ihr Glas. »Auf Australien. Und dass du dort viel Spaß hast.«
    »Auf dich und auf die Musik«, sagte Robert.
    Mit hellem Klang stießen die Gläser aneinander.
    »Ich finde es großartig, dass du dich zu einem Gesangsstudium entschlossen hast«, sagte er.
    »Das Leben ist schon komisch. Man zieht aus, um die Geheimnisse der toten Schwester zu lüften, und man entdeckt dabei Geheimnisse, die man ein halbes Leben lang vor sich selbst versteckt hat.«
    »Wie meinst du das?«
    »Ich habe gemerkt, dass Musik mein Leben ist. Ich will Sängerin werden. Zu Isas Lebzeiten hätte ich das nie gewagt, weil sie immer der musikalische Star in der Familie war. Offensichtlich habe ich Angst gehabt, nicht gegen ihr Talent bestehen zu können. Deshalb habe ich es gleich gar nicht versucht, sondern mich für ein Studium entschieden, das nichts mit Musik gemeinsam hat. Nur den Anfangsbuchstaben.« Sie lachte.
    Dann unterhielten sie sich über die besten Jazzsängerinnen aller Zeiten und leerten dabei den Montepulciano.
    Roberts Nase zuckte, aber er wandte den Kopf nicht ab. Es war ihm egal.
    Vera ist weicher geworden, dachte er auf dem Nachhauseweg. Reifer.
    Und er? Hatte er sich auch verändert?
    Hatte er etwas dazugelernt?
    Nach längerem Grübeln lächelte er
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