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Tod in Innsbruck

Tod in Innsbruck

Titel: Tod in Innsbruck
Autoren: Lena Avanzini
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sie mochte ihre Tante, die ihr viel mehr Freiheiten gelassen hat als die Mutter in Wien. Sie hat auch Sofronsky geschätzt, ebenso Dr. Nemetz, der ihre Hand verarztet hat. Ihrem kranken Hirn nach hat sie diese Menschen durch ihre Kompositionen ausgezeichnet. Briguglia kannte sie kaum. Gehasst hat sie wohl nur ihre Mutter.«
    »Wie passt die dann ins Schema?«
    »Erstens musste sie sie töten, als sie plötzlich vor der Tür stand und Fragen stellte. Zweitens hat sie immerhin ein Genie geboren. War also von daher auch ein würdiges Opfer. Mit der eintätowierten Komposition war Mette Kindler offensichtlich so zufrieden, dass sie alle Welt daran teilhaben lassen wollte. Daher hat sie die beiden Koffer bei der Annasäule und beim Goldenen Dachl deponiert.«
    »Ja, das ergibt einen Sinn.«
    »Haben Sie eigentlich schon die Zeugenaussagen nach dem Fernsehauftritt durchgesehen? Hätte eine davon irgendwie auf Mette Kindler gepasst?«
    »Ja, Chef, hab ich.«
    Na endlich, dachte Heisenberg. Er strahlt wieder.
    »Ein Busfahrer der Linie J hat gemeldet, dass ein etwa dreizehnjähriges Mädchen mit blonden Zöpfen in seinen Bus gestiegen ist, das genau so einen Koffer bei sich hatte, wie er im Fernsehen zu sehen war. Er hat ihr geholfen, ihn einzuladen.«
    Heisenberg lächelte. »Ja, sie sieht aus wie dreizehn. Kein Mensch hätte ihr das zugetraut.«
    »Ich frage mich nur, woher dieses Gör die medizinischen Kenntnisse hatte«, sagte Wurz.
    »Dr. Pribil, der Mann ihrer Tante, hatte eine gut gehende Tierarztpraxis. Außerdem war er für den Alpenzoo tätig. Er ist vor knapp zwei Jahren gestorben. Die Praxisräume im Erdgeschoss sind voll mit Instrumenten und Medikamenten.«
    »Das Betäubungsmittel?«
    »Die Hellabrunner Mischung, genau. Und es findet sich massenhaft medizinische Fachliteratur.«
    »Kann sich ein Laie aus medizinischen Büchern Wissen aneignen? Wenn ich bloß an die ganzen Fachausdrücke denke …«
    »Normale Menschen wie Sie und ich nicht, Wurz. Aber diese Kindler ist hochbegabt. Die hat mit vierzehn schon maturiert.«
    Wurz schwieg. Nach einer Weile erhob er sich. »Hat sie eigentlich Verwandte?«
    »Den Vater habe ich schon informiert. Er kommt morgen mit dem ersten Flugzeug aus Wien, um seine Exfrau und seine Schwester zu identifizieren. Anschließend werde ich mich mit ihm unterhalten.«
    »Aber morgen sind Sie doch schon nicht mehr da.«
    »Natürlich bleibe ich so lange, bis der Bericht getippt und der Fall endgültig bei den Akten ist. Nach Spanien komm ich noch früh genug«, brummte Heisenberg. »So, und jetzt machen wir Feierabend, mein Lieber.«
     
    Am nächsten Morgen fühlte er sich beinahe erholt, so gut hatte er geschlafen. Wie ein Baby. Erst die allmorgendlichen Magenkrämpfe, die ihm seit Langem den Wecker ersparten, hatten ihn aus dem Schlaf gerissen.
    »Du musst jetzt wirklich zum Arzt gehen«, sagte Thea wieder einmal und sah ihn dabei so besorgt an, dass ihn zusätzlich zum Magen auch noch das schlechte Gewissen zwickte. So hatte er widerwillig seinen Hausarzt angerufen und sich einen Termin für eine Vorsorgeuntersuchung geben lassen.
    Jetzt saß er in seinem Büro und schaute in das fassungslose Antlitz Walter Kindlers, des Vaters der Mörderin, und seine Magenschmerzen lebten wieder auf. Kindler war ihm als tougher Geschäftsmann angekündigt worden. Doch der Mann, der ihm gegenübersaß, wirkte gebrochen.
    »Herr Kindler, ich kann mir vorstellen, wie Sie sich jetzt fühlen. Ich werde Sie nicht lange quälen. Nur ein paar Fragen, damit wir den Fall abschließen können.« Heisenberg pausierte. »Haben Sie in letzter Zeit Kontakt zu Ihrer Tochter gehabt?«
    Kindler antwortete nicht.
    Heisenberg ließ ihm Zeit. In aller Ruhe zog er eine Selbstgedrehte aus seiner Westentasche und steckte sie sich an.
    »Darf ich auch rauchen?«
    »Freilich. Allen Verboten zum Trotz ist dieses Zimmer eine Insel für uns Diskriminierte.«
    Kindler legte eine Packung Marlboro auf den Tisch, klopfte eine Zigarette heraus. Heisenberg gab ihm Feuer. Sie rauchten und schwiegen.
    Kindler starrte die Wand an, als suchte er in einer Unregelmäßigkeit der Raufasertapete einen Ansatzpunkt für das erste Wort. »Ich habe meine Tochter seit fast drei Jahren nicht mehr gesehen.«
    »Warum nicht?«
    »Das ist eine längere Geschichte.« Er schloss die Augen. »Ich habe spät geheiratet, eine viel jüngere Frau. Vor meiner Ehe habe ich mir eine kleine Firma aufgebaut. Vermittlung und Verwaltung von Immobilien. Ich
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