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Tod in Innsbruck

Tod in Innsbruck

Titel: Tod in Innsbruck
Autoren: Lena Avanzini
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Hilfsbereiten spielen. Hat mir wie ein Kavalier der alten Schule die Tasche nach Hause getragen. Kavaliere haben etwas Schmieriges an sich, findest du nicht?« Mette beugte sich wieder über Roberts Rücken. »Dann war er zu neugierig. Wie meine Mutter, die auch plötzlich aus Wien angereist ist, unangekündigt, und tausend Fragen gestellt hat. Er hat sich über den Geruch gewundert und sich nach meiner Tante erkundigt.« Sie setzte das Tätowiergerät an und arbeitete weiter.
    Jetzt.
    Vera sprang auf. Es schwindelte sie, aber sie rang das Schwächegefühl nieder.
    Mette schrie. Das Tätowiergerät fiel zu Boden; stattdessen packte sie das Skalpell und kam auf Vera zu.
    Messerabwehr. Du kannst es!
    Wie in Zeitlupe sah Vera das Skalpell auf ihren Bauch zufliegen.
    Verdammt, das war scharfer Stahl und kein Farbstift! Sie versuchte, Mettes Arm zu packen und mit Gewalt nach unten zu drücken.
    Vera unterschätzte die zierliche Sechzehnjährige, der der Wahnsinn und die Wut beachtliche Stärke verliehen. Es gelang dem Mädchen, den Arm zu befreien. Die Klinge des Skalpells pflügte durch Veras Handfläche.
    Erstaunlicherweise spürte sie keinen Schmerz. Nur Zorn.
    Sie wich zurück. Plötzlich hörte sie Jochens Stimme in ihrem Kopf.
    »Nicht mit Kraft«, sagte die Stimme. »Gib nach.«
    Ohne zu blinzeln, fixierte sie Mettes Augen. Wartete auf den Moment, in dem die Pupillen sich um eine Winzigkeit zusammenzogen.
    Jetzt.
    Wieder schnellte der Arm mit dem Skalpell vor. Mit einer geschmeidigen Wendung wich Vera aus und drehte sich zur Seite.
    Der Stich ging ins Leere, gefolgt von einem wütenden Aufschrei.
    Außer dem Schrei vernahm Vera ein weiteres Geräusch, doch es drang nicht in ihr Bewusstsein, da der Kampf ihre volle Konzentration forderte. Mit einem Ausfallschritt gelangte sie in Mettes Rücken und trat gegen ihre Fersen.
    Mette stürzte. Das Skalpell fiel klappernd zu Boden. Sofort kickte Vera danach. Es schlitterte über das Linoleum und verschwand unter dem Herd.
    Dann warf sie sich auf das Mädchen und drückte es mit ihrem ganzen Gewicht nieder. Während sie noch überlegte, womit sie Mette fesseln sollte, schwamm das Geräusch, das sie in ihrem Unterbewusstsein gehört hatte, an die Oberfläche.
    Es waren zwei Töne, die sich wiederholten und lauter wurden. Eine Quart. Das schönste Intervall, das sie sich im Moment vorstellen konnte.
    Endlich. Die Bullen kommen.
    Mit der Erleichterung kam auch der Schmerz. Veras aufgescheuerte Handgelenke brannten, die zerschnittene Handfläche pulsierte. Mette wehrte sich. Sie biss und kratzte. Lange würde Vera die Tobende nicht halten können.
    Sie schrie um Hilfe.
    Als sie Männerstimmen und Getrampel auf der Treppe hörte, atmete sie auf. In dem Moment hieb Mette ihr den Ellbogen in die Seite.
    Übelkeit stieg in Vera auf. Sie würgte.
    Schon hatte Mette sich frei gestrampelt; humpelte zum Tisch zurück. Als Vera ihren Schwindel überwunden hatte, sah sie das Skalpell in Mettes Hand aufblitzen.
    Verdammter Mist. Sie hat ein zweites.
    Im selben Moment flog die Tür auf. Wurz stürmte herein, eine Pistole im Anschlag.
    Mette starrte ihn an. In ihren Zügen lag nichts Menschliches mehr. Nur Wahnsinn und Raserei.
    »Waffe fallen lassen! Hände hoch!«, bellte Heisenberg, der unmittelbar hinter Wurz aufgetaucht war.
    Mette ignorierte ihn. Mit einem Aufschrei warf sie sich Wurz entgegen, das Skalpell in der Faust.
    »Schieß!«, brüllte Heisenberg.
    Doch Wurz zauderte. Vera sah die Panik in seinen Augen. Die Waffe in seiner Hand zitterte.
    Mettes Arm holte zum Stich aus. Da krachte ein Schuss und fegte sie von den Füßen.
    Wimmernd lag sie am Boden, die Hände auf ihre Knie gepresst.
    Heisenberg nahm das Skalpell an sich. Dann erst steckte er seine Waffe weg. Zwei uniformierte Beamte sprangen herbei und legten Mette Handschellen an.
    Etwas klapperte. Erst nach einer Weile bemerkte Vera, dass es ihre Zähne waren, die aufeinanderschlugen. Mit einem Mal fiel die Anspannung von ihr ab. Sie fühlte sich unsagbar elend und erleichtert zugleich.
    * * *
     
    Heisenberg sog an seiner Zigarette, inhalierte den Rauch, hustete und drückte den Glimmstängel angewidert aus. Nicht einmal das Rauchen konnte die Übelkeit vertreiben, die sich in seinem Magen breitgemacht hatte, seit er die Waschküche des Mörderhauses betreten hatte.
    Der Fäulnisgeruch hätte eigentlich schon genügt, um ihm wochenlang den Appetit zu verderben. Der Anblick der beiden Frauenköpfe in den großen
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