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Tod in der Marsch

Tod in der Marsch

Titel: Tod in der Marsch
Autoren: Hannes Nygaard
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als
»graue Stadt am Meer« besungene Ort hervorragend entwickelt und war zu einem
touristischen Anziehungspunkt geworden. Behutsam hatte sich die Stadt zu einem
städtebaulichen Kleinod gemausert und ihre Bedeutung als zentraler Ort der
Region ausgebaut. Aber für Christoph selbst und seine weitere berufliche
Entwicklung bedeutete dieser Standort keine Perspektive. Auch seine Ehefrau
hatte wenig Begeisterung für seine vorübergehende Versetzung an das andere Ende
des Landes gezeigt.
    Nun sollte er die
Leitung dieser Dienststelle übernehmen, ein »Provinzkommissar«, wie seine
Kollegen in Kiel spotteten.
    Die beiden Männer
sahen sich einen Moment schweigend an, bevor der Polizeirat das Wort ergriff: »Wir sind hier eine hervorragende Mannschaft«, erklärte Grothe zwischen zwei
Qualmwolken. »Abgesehen von den Beschränkungen, denen aus Geldmangel alle
öffentlichen Einrichtungen unterliegen, steht hier jeder Kollege für den
Einsatz mit allen seinen Möglichkeiten. Unsere Inspektion umfasst diese Region
…«
    Er wuchtete seine
Massen aus dem Sessel und stellte sich vor eine Wandkarte, die an der
Stirnseite seines Büros angebracht war. Er benutzte die glimmende Zigarre als Zeigestock
und fuhr eine Linie ab, die den nördlichsten Küstenbereich Deutschlands
einschließlich der Inseln und Halligen umschloss.
    »Wenn wir einmal von
der im Sommer besonderen Situation auf Sylt absehen, haben wir ein Gebiet, das
– gemessen an den Problemen mancher Metropolen – relativ ruhig erscheint.
Schwere Gewaltstraftaten, Bandenkriminalität oder ausufernde Rauschgiftdelikte
sowie die daraus resultierenden Folgetatbestände wie Beschaffungskriminalität
sind bei uns nicht so weit verbreitet wie in anderen Gegenden.«
    Grothe holte tief
Luft, sog erneut an seiner Zigarre und entließ geräuschvoll weitere blaue
Schwaden in den ohnehin schon mit Rauchwolken gefüllten Raum. Christoph
unterdrückte ein Hüsteln.
    »Unsere Probleme
liegen eher in der Weitläufigkeit der Region, die wir mit zu wenig Personal zu
betreuen haben«, fuhr Grothe fort. »Und ich sorge dafür, dass in meinem Gebiet
alles reibungslos funktioniert. Das gilt auch für Sie.«
    Christoph wollte im
ersten Moment aufbegehren. Disziplinarisch war für die Kripo Husum die
Bezirkskriminalinspektion in Flensburg zuständig und keineswegs Polizeioberrat
Grothe von der Schutzpolizei. Er unterdrückte aber seine Widerrede, als dieser
massig wirkende Mann einige Schritte auf ihn zu machte, mit der brennenden
Zigarre auf sich wies und unmissverständlich erklärte: » Ich bin hier der
Chef!«
    Er stand jetzt neben
Christoph, der sich ebenfalls aus dem Besucherstuhl erhoben hatte, und ließ
seine mächtige Pranke auf dessen Schulter fallen.
    »Herzlich willkommen
bei uns an der Küste.« Grothe blies ihm eine Ladung tabakgeschwängerten Atems
unter die Nase. »Falls Sie, mein Junge, irgendwelche Sorgen oder Probleme
haben, kommen Sie einfach zum Chef. Auf gute Zusammenarbeit.«
    Erneut ließ er seine
Hand auf Christophs Schulter fallen, drehte sich dann abrupt um und setzte sich
hinter seinen Schreibtisch, um dort ohne ein weiteres Wort seine Arbeit wieder
aufzunehmen.
    Christoph nahm an,
die Unterredung sei ohne weitere Erklärung und gar Verabschiedung beendet, deutete
eine leichte Verbeugung an und verließ wortlos den Raum.
    *
    Am nächsten Morgen saß Christoph in einem tristen,
aber zweckmäßig eingerichteten Büro und blätterte in einem Ordner mit
abgelegten Dienstplänen und anderen internen Unterlagen der neuen Dienststelle.
Der graue Novemberhimmel, einhergehend mit dem Dauerregen, ließ den Start in
das – hoffentlich nur vorübergehende – Abenteuer in dieser am Ende der Republik
gelegenen Kleinstadt noch dunkler erscheinen.
    Gestern hatte ihn die freundliche Sekretärin noch im
Haus herumgeführt, mit künftigen Kollegen bekannt gemacht und ihm seinen neuen
Arbeitsplatz gezeigt.
    Er verglich im Stillen die ihm aus der
Landeshauptstadt vertraute Büroausstattung mit der in diesem muffig wirkenden
Büro. Hier wirkte alles antiquierter, hing eine Technikgeneration hinter dem
Equipment in Kiel zurück. An den kunststoffverkleideten Schreibtischen mussten
schon ganze Generationen von Polizeibeamten im steten Papierkrieg mit der
Unterwelt gefochten haben. Die übrige Einrichtung war schlicht und wies
erhebliche Gebrauchsspuren auf, war aber im Großen und Ganzen zweckmäßig.
Telefon und Computer hatten allerdings nahezu museale Züge.
    Den Raum teilte er mit
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