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Tod in der Marsch

Tod in der Marsch

Titel: Tod in der Marsch
Autoren: Hannes Nygaard
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strahlte den Betoncharme der frühen sechziger Jahre aus.
    In der zweiten Etage
fand Christoph die Bürotür mit der Aufschrift: Dienststellenleiter,
Polizeioberrat Grothe.
    Nach einem kurzen
Klopfen betrat er den Raum. Eine hoch gewachsene, nicht mehr ganz junge Frau
saß vor einem Bildschirm und bearbeitete mit einer atemberaubenden
Geschwindigkeit die Tastatur. Sie unterbrach ihre Arbeit und sah auf. »Ja,
bitte?«
    »Guten Tag. Mein
Name ist Christoph Johannes. Ich habe eine Verabredung mit Herrn Grothe.«
    Die in einer
eleganten beigefarbenen Kombination gekleidete Sekretärin stand auf und
umrundete ihren Schreibtisch. Sie streckte ihm eine gepflegte schlanke Hand
entgegen.
    »Guten Tag, Herr
Johannes.« Sie hatte ein angenehmes Timbre in der Stimme. »Mein Name ist
Fehling. Ich bin die Sekretärin vom Chef. Wir erwarten Sie eigentlich schon
seit einer Stunde.«
    Er zuckte
entschuldigend die Schultern. »Es tut mir Leid. Bei diesem Regen können Sie
keine Termine einhalten, wenn Sie mit dem Auto übers Land fahren. Heute hatten
sich alle anderen Verkehrsteilnehmer gegen mich verschworen.«
    Frau Fehling griff
zum Telefon, um den Besucher anzukündigen.
    »Bitte!« Sie deutete
auf eine Zwischentür. »Der Chef erwartet Sie.«
    Christoph trat ein.
Das trübe Novemberwetter tauchte den Raum in ein diffuses Halbdunkel. Er wurde
nur durch eine altertümliche Schreibtischlampe mit einem großen runden
Messingfuß erhellt. Der Lichtstrahl konzentrierte sich auf einen kreisrunden
Ausschnitt auf dem Holzschreibtisch. Dicke Rauchschwaden waberten wolkengleich
durch den Raum.
    Hinter dem
Schreibtisch saß ein schwergewichtiger Mann. Die Hemdsärmel hatte er, soweit es
die kompakten Unterarme zuließen, hochgerollt, der Kragenknopf war geöffnet.
Breite Hosenträger spannten sich über einen fülligen Oberkörper und
verschwanden irgendwo unterhalb der Schreibtischkante.
    Am meisten
beeindruckte Christoph aber der massige Schädel, der nahezu ansatzlos zwischen
den Schultern thronte und in ein gewaltiges Doppelkinn überging. Von einem
grauen Haarkranz gesäumt glich dieser kugelrunde Kopf einem knallroten Ballon.
    Kleine listige
Schweinsäugelein musterten Christoph unter den buschigen Augenbrauen hervor.
    Ohne die dicke
Zigarre aus dem breiten Mund zu nehmen, wies Polizeioberrat Grothe auf den
Besucherstuhl und stieß zwischen den Zähnen hervor: »Ich hatte Sie früher
erwartet. Pünktlichkeit ist in meinem Amtsbereich eine der ersten Tugenden.«
    Christoph atmete
tief durch, wollte sich für die Verspätung rechtfertigen, nahm dann aber
schweigend auf dem angebotenen Stuhl Platz.
    Grothe hielt es
nicht für notwendig, seinen Besucher zu begrüßen. »Sie sind also Christoph
Johannes«, begann er, zog tief an seiner Zigarre und blies eine stinkende blaue
Rauchwolke über den Schreibtisch.
    »Erzählen Sie etwas
von sich!«
    »Gern. Ich bin in
Kiel geboren und aufgewachsen. Direkt nach der Schule trat ich in den
Polizeidienst ein. Im Anschluss an die Ausbildung war ich zwei Jahre bei der
kasernierten Schutzpolizei in Eutin, bevor ich als Beamter im Streifendienst in
verschiedenen Wachen in Lübeck und in Bad Oldesloe Dienst tat. Dann habe ich
mich bei der Kripo beworben.«
    »Da haben Sie ja die
Ochsentour gemacht«, murmelte Grothe dazwischen.
    Christoph nickte,
bevor er fortfuhr: »Die ersten Jahre war ich im Ermittlungsdienst tätig,
überwiegend im Kommissariat für Wirtschaftsstrafsachen. Dann hat man mich vor
zehn Jahren in das Dezernat für allgemeine Verwaltungsangelegenheiten versetzt.
Dort habe ich bis gestern gearbeitet.«
    »Und was treibt Sie
nun zu uns nach Husum?«, fragte der Polizeioberrat neugierig.
    Christoph zuckte mit
den Schultern. »Ich fürchte, die Frage kann ich nicht beantworten. Ich war sehr
überrascht, als man mich in der vergangenen Woche kurzfristig mit der vorübergehenden
Leitung der hiesigen Kriminalpolizeistelle betraute.«
    Gegenüber Grothe
ließ er unerwähnt, dass man in Kiel seine Argumente gegen diese Versetzung
freundlich angehört hatte, seine Skepsis, ob gerade er die richtige Besetzung
für diese Aufgabe wäre, aber zerstreute und schließlich mit höflicher
Bestimmtheit vom Weisungsrecht des Dienstherrn Gebrauch machte.
    Husum! Als Tourist
hatte er schon einige Male diese Region besucht, immer mit dem beruhigenden
Gefühl, wieder in die ihm wesentlich angenehmer erscheinende Landesmetropole
zurückkehren zu können. Zweifellos hatte sich der schon von Theodor Storm
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