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Tod in der Marsch

Tod in der Marsch

Titel: Tod in der Marsch
Autoren: Hannes Nygaard
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der etwas über den
Aufenthaltsort von Frau und Tochter. Zumindest wird er uns Namen und
Anschriften von Verwandten oder Freunden nennen können, bei denen sich die
beiden aufhalten könnten.«
    Nach seinen ersten Erfahrungen mit Harm Mommsen war
Christoph daran interessiert, einmal den dritten Mann im praktischen Einsatz zu
erleben.
    »Begleiten Sie mich dieses Mal, Herr Große Jäger«,
wandte er sich an den Oberkommissar.
    Wortlos erhob sich Große Jäger von seinem Platz, griff
einen Parka vom Wandhaken, zog diesen über und stolzierte zur Tür.
    »Was ist nun?«, fragte er Christoph.
    *
    Schweigsam stapfte Große Jäger neben Christoph her. Er
trug keinen Regenschirm. »Der macht bei diesem Wind keinen Sinn«, hatte er
knapp erklärt. Aus dem Kragen seines Parkas hatte er eine Kapuze geschält und
diese mit einem kräftigen Ruck an den heraushängenden Schnüren rund um das
Gesicht straff gezogen. Die Hände tief in den Taschen vergraben, sah er nicht
wirklich wie jemand aus, dem man seine Tochter anvertrauen würde. Er machte
schon gar nicht den Eindruck eines vertrauenerweckenden Polizeibeamten.
    »Vielleicht hätten wir uns zuvor telefonisch
versichern sollen, dass der Vater auch im Hause ist«, versuchte Christoph das
Gespräch aufzunehmen.
    Große Jäger deutete ein Achselzucken an. »Und wenn er
nicht ans Telefon geht? In Husum sind alle Wege kurz, da macht so ein kleiner
Weg von wenigen Minuten nichts aus.«
    Unter der angegebenen Adresse fanden sie ein in der
Nachkriegszeit mit schnellen Mitteln hochgezogenes Haus mit grauer
Putzverkleidung. Irgendwann waren einmal die kleinsprossigen Fenster gegen
unpassende Kunststoffrahmen ausgetauscht werden. An der Hausfront war
abzulesen, welches spezifische Vergnügen sich die Bewohner ins Haus holten: Vor
nahezu jeder Wohnung war eine Satellitenschüssel installiert.
    Gleichsam als Symbol für die unterschiedliche Herkunft
der Bewohner des Hauses waren die Klingelknöpfe an der Eingangstür mit höchst
individuell gestalteten Namensschildern versehen.
    Große Jäger fuhr mit dem Zeigefinger über die
Klingelleiste, um dann neben dem handschriftlich angebrachten Namen »Dahl« den
Knopf zu drücken.
    Sie warteten eine Weile. Nichts rührte sich. Diesmal
klingelte Christoph. Wiederum tat sich nichts. Die beiden sahen sich an, der
Oberkommissar zuckte mit den Schultern.
    »Wir versuchen es einmal beim Nachbarn«, sagte
Christoph. Der Anordnung der Namensschilder war zu entnehmen, dass sich in
jeder Etage zwei Wohnungen befanden. Christoph betätigte den Klingelknopf neben
einem sauber aus Messing gravierten Schild mit dem Namen »Grün«.
    Einige Augenblick später hörten sie aus der
Gegensprechanlage die brüchige Stimme eines alten Mannes.
    »Ja, wer ist dort?«
    Christoph erwiderte: »Wir möchten zu Herrn Dahl. Der
ist aber anscheinend nicht zu Hause. Wissen Sie, wo wir ihn antreffen könnten?«
    »Der muss aber da sein«, antwortete die Greisenstimme.
»Der ist immer zu Hause. Den ganzen Tag. Aber warten Sie. Ich werde die Tür
öffnen.«
    Der Summer ertönte, und die beiden betraten das
schlichte, aber saubere Treppenhaus. Herr Grün wohnte vis-à-vis der Familie
Dahl in der ersten Etage. Er hatte die Tür einen Spalt geöffnet.
    Der alte Herr war fast kahlköpfig. Seine kleine Statur
wurde zudem von seiner gebeugten Körperhaltung unterstrichen. Zu einer bequemen
Stoffhose trug er ein Sakko, darunter ein gestreiftes Hemd mit Krawatte.
    »Herr Dahl muss im Hause sein«, erklärte er. »Wissen
Sie, unsere Wohnungen grenzen aneinander. Und wenn jemand auf die Toilette
geht, hören Sie die Spülung. Diese Häuser sind zur Beseitigung der großen
Wohnungsnot nach dem Kriege mit einfachen Mitteln errichtet worden. Da standen
Überlegungen zum Lärmschutz hinten an.« Es klang fast wie eine Entschuldigung.
    »Kennen Sie die kleine Lisa und ihre Mutter?«, fragte
Christoph. Herr Grün öffnete die Tür einen Spalt weiter.
    »Ja. Die haben seit der Geburt der Kleinen hier
gewohnt. Ich habe miterlebt, wie sich das Mädchen entwickelt hat.« Er stockte in
seiner Erzählung. »Aber Lisa und ihre Mutter sind vor kurzem ausgezogen. Sie
wohnen jetzt nicht weit entfernt von hier. Ich glaube, warten Sie einmal …« Er
zögerte ein wenig, legte den Kopf zur Seite und nannte dann die schon bekannte
neue Adresse. Dann öffnete er die Tür ganz. »Wissen Sie, in meinem Alter fällt
mir das Stehen schwer. Möchten Sie nicht hereinkommen?«
    Sie durchquerten einen kleinen Flur
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