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Tod in der Marsch

Tod in der Marsch

Titel: Tod in der Marsch
Autoren: Hannes Nygaard
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auf das Türblatt. Das Holz
vibrierte heftig, während ein dumpfer Hall das ganze Treppenhaus erfüllte.
    »Dahl«, rief der Oberkommissar und verzichtete auf
jede Freundlichkeit in der Stimme, »Dahl, mach sofort die Tür auf. Sonst gibt
es Ärger!« Er blickte zu Christoph und erklärte ergänzend in ruhiger Tonlage.
»Solche Typen verstehen nichts anderes.«
    »Wir sind hier nicht in offizieller Mission, darum
hätte ich mich etwas dezenter verhalten«, entgegnete Christoph. Seine Stimme
verriet eine Spur Missbilligung.
    »In Schönheit sterben.« Große Jäger zog mit einem
Hauch Verachtung geräuschvoll den Naseninhalt in Richtung Stirnhöhle. »Das ist
doch Quatsch. Wir wollen mit der Figur sprechen. Oder?«
    In diesem Moment wurde die Wohnungstür geöffnet. Eine
Wolke miefiger, abgestandener Luft schlug ihnen entgegen.
    Der große muskulöse Mann trug ein fleckiges T-Shirt
mit Schweißrändern unter den Armen und eine Trainingshose. Die Haare, unter
denen zwei rot umkränzte Augen müde auf die beiden Besucher blickten, hingen
wirr in die Stirn.
    »Wir möchten mit Ihnen reden, Herr Dahl«, eröffnete
Große Jäger das Gespräch.
    »Warum?« Ohne die Antwort abzuwarten, drehte Dahl sich
um, hob kurz seine rechte Hand und sagte knapp: »Meinetwegen.«
    Sie folgten ihm durch einen kleinen Flur. Es sah
trostlos aus. An den Garderobenhaken hatte der Wohnungsinhaber Plastiktüten,
den Schlauch eines Staubsaugers und ein Netz mit Zwiebeln aufgehängt. Alle
Türen in der Wohnung waren geöffnet, die Fenster hingegen waren schon seit langem nicht mehr zum Lüften bewegt worden. In allen Räumen lagen
Kleidungsstücke und Haushaltsgegenstände verstreut, die Schranktüren und
Schubladen standen offen. Herr Dahl schien die Angewohnheit zu haben, alles
genau an dem Platz zu hinterlassen, an dem er sich gerade befand. Er trottete
in die enge Küche und warf sich schwer auf einen Küchenstuhl. Auf der
Arbeitsfläche stand ein tragbarer Fernsehapparat. Aus ihm quoll das Geschwätz
einer mittäglichen Talkshow.
    Wortlos schaltete der Oberkommissar das Gerät ab,
angelte sich mit der Fußspitze einen dritten Küchenstuhl, nachdem er mit einem
Kopfnicken Christoph bedeutet hatte, sich ebenfalls hinzusetzen.
    Große Jäger schob mit einer Handbewegung die
angebrochenen Aufschnittverpackungen zur Seite. Dahl hatte hier vor einiger Zeit
gegessen und die nicht verzehrten Lebensmittel einfach liegen lassen. Sie waren
in der Zwischenzeit unappetitlich angelaufen. Auf einem verschmierten Teller
hatte er Zigarettenkippen ausgedrückt.
    Dahl trank Bier aus der Flasche. Die leeren Batterien
in der Küche zeugten davon, dass die halb volle Flasche, an der er jetzt
glucksend in großen Schlucken sog, nicht seine erste war.
    »Herr Dahl, wir –«, setzte Christoph an, aber Große
Jäger unterbrach ihn, indem er seine Hand auf Christophs Unterarm legte.
    »Hier stinkt’s!«, schnarrte er.
    Dahl hatte die Flasche abgesetzt und geräuschvoll auf
den Tisch zurückgestellt. Mit glasigen Augen blickte er den Oberkommissar an.
»Wen interessiert’s. Den Gerichtsvollzieher oder das Sozialamt?« Der große Mann
im T-Shirt blinzelte sein Gegenüber böse an.
    »Nee«, entgegnete Große Jäger ungerührt, »die Bullen.«
    Ein unsicheres Blitzen entfuhr Dahls Augen. »Was wollt
ihr?« Seine Stimme hatte etwas von der nassforschen Aggressivität eingebüßt,
die seine vorhergehenden Äußerungen begleitet hatte.
    »Wir wollen wissen, wo deine Frau und deine Tochter
stecken.« Große Jäger duzte ihn. Anscheinend war das dem Mann geläufig, denn er
zeigte keine Reaktion.
    »Keine Ahnung!« Er verfiel wieder in einen
aggressiveren Tonfall. »Interessiert mich auch nicht, wo diese Schlampe sich
herumtreibt.« Er griff zur Bierflasche, setzte dann aber fragend nach. »Warum
interessiert es euch?«
    Wortlos verfolgte Christoph diesen eigentümlichen
Dialog. Große Jäger hatte genau den richtigen Ton getroffen, um diesem
eigentümlichen Mann zumindest ein paar karge Informationen zu entlocken.
    »Das geht dich einen Dreck an. Also, noch mal. Wo sind
deine Frau und deine Tochter?«
    Dahl holte tief Luft. Leise, fast flüsternd, mehr zu
sich selbst jammerte er: »Ich weiß es doch nicht, ich weiß es wirklich nicht.
Weg ist sie. Einfach ausgezogen. Sie hat mich einfach allein gelassen.« Dann
schwieg er einen Moment. Fast sah es aus, als würden ihm die Tränen kommen.
    Plötzlich, ohne jede Vorankündigung, griff er ein schmutziges
Geschirrtuch vom Tisch
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