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Tod in der Marsch

Tod in der Marsch

Titel: Tod in der Marsch
Autoren: Hannes Nygaard
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Werft.
Entschuldigen Sie bitte meine Unhöflichkeit«, unterbrach er sich selbst. »Darf
ich Ihnen einen Tee anbieten?«
    Die beiden verneinten dankend.
    »Dann wurde Lisa geboren. Sie glauben gar nicht, was
das für eine Aufregung war.«
    Bei der Erinnerung daran schmunzelte der Greis
vergnügt in sich hinein. »Der Herr Dahl war so durcheinander, als seine Frau
ins Krankenhaus musste, dass er wie ein aufgescheuchtes Huhn durch die Gegend
lief. Der konnte keinen klaren Gedanken fassen. Anstelle des für die Entbindung
gepackten Koffers hat er einen anderen mit eingelagerter Winterkleidung in das
Krankenhaus geschleppt. Anschließend hat er die Geburt seiner Tochter ausgiebig
gefeiert. Ich sehe ihn noch heute vor mir, wie er an meiner Haustür stand: Herr
Grün, hat er gesagt, kommen Sie zu mir herüber. Wir stoßen jetzt auf meine
Tochter an. Ich bin nämlich stolzer Vater geworden. Und das ist er bis heute
geblieben. Auch wenn die Arbeit sicherlich sehr anstrengend war, hat er nach
Feierabend immer Zeit für die Kleine gefunden und sich mit ihr beschäftigt. Ich
konnte es durch die nicht sehr dicken Wände hören. Eine glückliche, eine sehr
glückliche Familie.«
    Erneut lehnte er sich zurück. Die beiden
Polizeibeamten ließen ihm Zeit.
    »Frau Dahl hat dann wieder zeitweise in der Bäckerei
gearbeitet. Ich war schon über siebzig und hab durch meinen Beruf immer gern
den Umgang mit Kindern gepflegt. Frau Dahl bat mich manchmal, einen Blick auf
die Kleine zu werfen, wenn sie nicht rechtzeitig vor Rückkehr des Mädchens aus
der Schule von der Arbeit zurück war. Sie hat mich auch oft besucht, die Lisa.
Ich habe ihr dann Bilder gezeigt und alles das erläutert, was an Fragen ihrem
kleinen Hirn entsprang. Und sie war sehr wissbegierig. Die wollte die ganze
Welt auf einmal erklärt bekommen.«
    Sein Blick ging jetzt in eine unbekannte Ferne. Er
seufzte.
    »Opa Grün hat sie mich genannt. Opa! Ach, Sie glauben
gar nicht, wie gern ich eigene Kinder gehabt hätte. Aber so ist Gottes Weg.«
    Christoph räusperte sich. »Warum sind Lisa und ihre
Mutter vor kurzem in eine andere Wohnung gezogen?«, fragte er.
    Herr Grün zuckte die Schultern, als könne er sich das
auch nicht erklären.
    »Herr Dahl wurde im letzten Jahr arbeitslos. Zuerst
schien er darüber nicht unglücklich, weil er so mehr Zeit für seine Familie
hatte. Aber bereits nach kurzer Zeit wurde er immer unzufriedener. Ich habe von
drüben«, seine ausgestreckte Wand wies zur Nachbarwohnung, »bis spät in die
Nacht hinein den Fernsehapparat laufen hören. Dafür schlief er wohl morgens
länger und kümmerte sich nicht mehr um das Kind. Die Mutter war in dieser
Situation erst recht auf das Geld von der Verkaufstätigkeit in der Bäckerei
angewiesen. So musste Lisa sich morgens allein versorgen. Und wenn das Kind
dabei etwas lauter war, hörte ich schon einmal den Vater herumschreien, sie
raube ihm seinen wohlverdienten Schlaf. Hinzu kam wohl auch der gesteigerte
Genuss von Alkohol. Die Mutter machte ihm Vorhaltungen. Daraus entwickelte sich
immer öfter ein lautstarker Streit, den es in dieser Form in all den Jahren
zuvor nie gegeben hatte. Ja, sicher, Meinungsverschiedenheiten gibt es überall
einmal. Aber so?«
    »Hat Herr Dahl sich an seiner Frau oder Tochter
vergriffen?«, wollte Christoph wissen.
    Grün sah ihn erstaunt an. »Ich verstehe Ihre Frage
nicht.«
    Größe Jäger hatte die ganzen Unterhaltung bisher
wortlos verfolgt. Jetzt mischte er sich ein: »Mein Kollege möchte wissen, ob
Ihr Nachbar seine Frau oder seine Tochter geschlagen hat.«
    Der alte Mann sah auf seine Fingerspitzen. »Ich weiß
es nicht«, murmelte er schließlich leise vor sich hin. »Ich weiß es nicht.«
    »Jedenfalls haben Sie uns ein gutes Stück
weitergeholfen«, bedankte sich Christoph bei Herrn Grün. »Falls wir noch
weitere Fragen haben sollten … Dürften wir Sie noch einmal ansprechen?«
    »Jederzeit!«, versicherte der Greis.
    Sie verabschiedeten sich von dem Mann.
    *
    Herr Grün hatte die Wohnungstür hinter ihnen
geschlossen. Sie hörten das Schlurfen seiner sich entfernenden Schritte, als
sie an der gegenüberliegenden Tür klingelten. Aus der Wohnung drang jetzt der
Ton eines Fernsehgerätes. Nach einer Weile vergeblichen Wartens ließ Christoph
seinen Finger erneut auf dem gedrückten Klingelknopf ruhen. Schrill übertönte
die Türglocke den Fernseher.
    »Das bringt doch nichts.« Große Jäger drängte sich an
Christoph vorbei und schlug mit der flachen Hand
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