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Tod in der Marsch

Tod in der Marsch

Titel: Tod in der Marsch
Autoren: Hannes Nygaard
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zwei ihm zugewiesenen
Mitarbeitern. Von seinem einzeln stehenden Schreibtisch aus konnte er den
grauhaarigen, ungekämmt wirkenden Oberkommissar Große Jäger beobachten. Er war
etwas irritiert gewesen, als ihm dieser Name gestern genannt worden war, hatte
sich aber eine scherzhafte Bemerkung verkniffen. Für einen Kriminalbeamten war
es vielleicht ein zutreffender Familienname, aber in Verbindung mit der äußeren
Erscheinung seines Trägers klang er nahezu komödiantisch.
    Der Mann trug Jeans und ein Baumwollhemd, die beide
schon länger in Gebrauch waren, darüber eine leicht fleckige offene Weste. Der
Oberkommissar saß ihm gegenüber und starrte missmutig in die Luft. Über den
breiten Ledergürtel schwappte ein Hängebauch, der nahezu die gesamte
Gürtelschnalle verdeckte. Der schwarze Schimmer auf den Wangen ließ erahnen,
dass die morgendliche Rasur nicht zu seinen täglichen Ritualen gehörte.
    Große Jäger rauchte. Die nikotingelben Finger zeigten,
dass dies ein intensiv gepflegtes Vergnügen sein musste.
    Zu seiner eher ungepflegten Erscheinung wirkte der
Dritte im Raum, Kriminalkommissar Harm Mommsen, wie ein Kontrastprogramm. Er
war ein hoch gewachsener Endzwanziger mit gesundem braunem Teint und einer
sportlichen und durchtrainierten Gestalt.
    Dieser junge Kollege mit seinem zurückhaltenden und
freundlichen Wesen war Christoph sofort sympathisch.
    Mommsen arbeitete irgendwelche Papiere durch,
sortierte diese, schob seinen Drehstuhl zurück und kam herüber an Christophs
Schreibtisch.
    »Ich habe einmal unsere aktuellen Fälle
zusammengestellt«, erklärte er mit einer sonoren Stimme. Die Klangfärbung
verriet seine nordfriesische Herkunft.
    »Die Akten und weitere Unterlagen dazu befinden sich
in diesen Schränken.« Er wies auf Rollladenschränke an der rückwärtigen
Zimmerseite.
    In kurzen Sätzen erläuterte er Christoph die laufenden
Fälle, darunter Wohnungs- und Fahrzeugaufbrüche, Diebstähle, über Nacht erneut
aufgetretene Graffitischmierereien und einige weitere kleine Delikte.
    »Hier ist etwas Merkwürdiges.« Mommsen wies auf ein
Blatt Papier, das er in seinen Händen hielt.
    »Da hat eine Lehrerin von der Bürgerschule – das ist
eine Grundschule – bei unseren uniformierten Kollegen Meldung erstattet, dass
eine Schülerin aus ihrer Klasse seit einigen Tagen nicht mehr zum Unterricht
erschienen ist. Frau Pohl, so heißt die Lehrerin, hat daraufhin versucht, bei
der Mutter der Kleinen vorzusprechen, aber erfolglos. Dort hat keiner
geöffnet.«
    »Ist sie telefonisch auch nicht erreichbar?«
    Mommsen sah auf das Blatt Papier. »Davon ist hier
nichts vermerkt. Anscheinend wurde in dieser Hinsicht nichts unternommen.«
    »Und die Nachbarn?«, fragte Christoph.
    »Die Streife hat sich der Sache angenommen. Ihre
Bemühungen waren aber ebenfalls erfolglos. Sie haben auch bei den Nachbarn
geklingelt. Aber keiner hat etwas gesehen oder gehört, weder von der Mutter
noch vom Kind.«
    »Wie alt ist denn das Mädchen?«
    Mommsen warf einen kurzen Blick auf das Papier. »Die
kleine Lisa Dahl ist acht Jahre.«
    »Hat sich einmal irgendwer um andere Angehörige
Gedanken gemacht, die man befragen könnte?«, mischte sich nun der bisher
unbeteiligt in den Raum blinzelnde Oberkommissar Große Jäger ein.
    »Die Sache ist noch nicht ernsthaft verfolgt worden«,
antwortete Mommsen. »Außer der eher vorsorglich klingenden Anfrage der Lehrerin
gibt es keine Anhaltspunkte, die eine weitere Aktivität unsererseits rechtfertigen
würden. Vielleicht ist die Mutter mit ihrer Tochter irgendjemanden besuchen
gefahren.«
    »Das ist doch Quatsch«, dröhnte Große Jäger zurück und
hatte in der Zwischenzeit eine der Schreibtischschubladen herausgezogen, um
darauf seine Füße zu platzieren. »Wir haben derzeit keine Ferien. Also muss das
Kind doch die Schule besuchen.«
    Christoph und Mommsen blickten zu ihrem Kollegen
hinüber, was diesen aber nicht hinderte, mit dem Zeigefinger in der Nase zu
bohren, um anschließend mit zusammengekniffenen Augen ausgiebig das Ergebnis zu
betrachten.
    »Wenn die Mutter einen dringenden Verwandtenbesuch zu
erledigen hat, wird sie doch nicht in der Schule um Freistellung bitten. Was
wissen wir denn sonst noch?« Große Jäger stand auf, um sich aus der
Kaffeemaschine auf der Fensterbank einen frischen Becher einzuschenken.
    »Weitere Informationen liegen uns nicht vor«,
antwortet Mommsen.
    Große Jäger hatte sich zu seinen beiden Kollegen
gestellt. Er schlürfte laut und
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