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Tod in den Wolken

Tod in den Wolken

Titel: Tod in den Wolken
Autoren: Agatha Christie
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hat. Ich hoffe, es wird nicht allzu lange dauern.»
    Die meisten Fluggäste sahen die Richtigkeit dieser Anweisung wohl ein; doch eine Person erhob schrillen Widerspruch.
    «Unsinn!», rief Lady Horbury erbost. «Wissen Sie nicht, wer ich bin? Ich verlange, dass man mich auf der Stelle gehen lässt.»
    «Bedaure, Mylady. Ich kann keine Ausnahme machen.»
    «Aber das ist absurd, im höchsten Grade absurd.» Ärgerlich stampfte Cicely mit dem Fuß auf. «Ich werde mich bei der Gesellschaft beschweren, weil man sich erdreistet, uns hier mit einer Leiche in denselben Raum zu pferchen.»
    «Angenehm ist das allerdings nicht, meine Liebe», sagte Venetia Kerr mit ihrem üblichen Näseln. «Indes fürchte ich, dass wir uns darein schicken müssen.» Sie nahm wieder in ihrem Sessel Platz, schlug die Beine übereinander und holte ihr Zigarettenetui hervor. «Darf ich jetzt wenigstens rauchen, Steward?»
    Der gescholtene Mitchell erwiderte kleinlaut: «Ich glaube nicht, dass es jetzt etwas ausmacht.» Dann blickte er über seine Schulter nach hinten. Davis hatte die Passagiere des vorderen Abteils durch den Notausgang hinausgelassen und sich dann auf die Suche nach einem Polizeibeamten begeben. Lange brauchten die ihrer Freiheit beraubten Fluggäste nicht zu warten; trotzdem schien es ihnen, als sei mindestens eine halbe Stunde verstrichen, ehe eine aufrechte, militärische Gestalt in Zivil und ein uniformierter Polizist über den Platz eilten und durch die Tür, die Mitchell für sie offen hielt, in das Flugzeug kletterten.
    «Nun, was ist los?», forschte der eine der beiden kurz. Er lauschte Mitchells und darauf Dr. Bryants Bericht und streifte die reglose Gestalt der Toten mit einem raschen Blick.
    «Wollen Sie mir bitte folgen, meine Damen und Herren», forderte er dann die kleine Gesellschaft auf, die er nicht in die Zollabfertigung, sondern in ein besonderes Büro führte. «Ich werde Sie nicht länger als unbedingt nötig aufhalten», versprach er etwas freundlicher.
    «Inspektor, ich habe eine dringende geschäftliche Verabredung in London», sagte Mr James Ryder.
    «Tut mir leid, Sir.»
    «Ich bin Lady Horbury und finde es empörend, dass man mich auf diese Art festhält.»
    «Tut mir leid, Lady Horbury. Es handelt sich, das werden Sie doch gewiss begreifen, um keine Kleinigkeit, vielmehr allem Anschein nach um einen Mord. Sie müssen schon ein wenig Geduld haben.»
    «Das Pfeilgift der südamerikanischen Indianer», murmelte Mr Clancy, während ein glückliches Lächeln über sein Gesicht huschte. Und der Inspektor sah ihn misstrauisch an.
    Der französische Archäologe sprach eifrig in seiner Muttersprache, und langsam und bedächtig antwortete ihm der Beamte auf Französisch. Venetia Kerr warf näselnd hin: «All das ist grässlich langweilig, Inspektor, aber Sie müssen natürlich Ihre Pflicht erfüllen» – eine Bemerkung, die ihr ein höfliches «Ich danke Ihnen, Madame», eintrug.
    «Ich bitte die Damen und Herren hier zu warten, während ich ein paar Worte mit Dr. Bryant wechsle. Nach rechts bitte, Doktor.»
    «Darf ich der Unterredung beiwohnen?», fragte da der Kleine mit dem Schnurrbart.
    Der Inspektor drehte sich um, eine scharfe Entgegnung auf den Lippen. Dann veränderte sich seine finstere Miene plötzlich.
    «Oh, Monsieur Poirot», sagte er erfreut. «Sie sind so eingemummelt, dass ich Sie gar nicht erkannt habe. Selbstverständlich kommen Sie mit uns.»
    Er ließ Bryant und Poirot den Vortritt und schloss dann hinter sich die Tür zum Nebenzimmer, auf deren braunes Holz sich die misstrauischen Blicke der Zurückgebliebenen hefteten.
    «Warum wird mit diesem Zwerg eine Ausnahme gemacht?», rief Cicely Horbury giftig.
    Venetia Kerr zuckte gleichmütig die Achseln. «Vermutlich einer von der französischen Polizei oder ein Zollspitzel.»
    «Mir scheint, ich habe Sie früher schon mal gesehen», sagte Norman Gale schüchtern zu Jane. «War es in Le Pinet?»
    «In Le Pinet bin ich gewesen.»
    «Ein hübsches Fleckchen. Ich liebe die Fichten dort.»
    «Ja, sie duften so schön.»
    Und dann schwiegen beide, verlegen um den nächsten Satz. Endlich gestand der junge Mann: «Ich habe Sie im Flugzeug sofort wieder erkannt. Es gibt Menschen, die man nie wieder vergisst, wenn man sie einmal gesehen hat.»
    «Wirklich…?» Jane Grey heuchelte die größte Überraschung.
    «Meinen Sie, dass diese Frau tatsächlich ermordet wurde?», wechselte Norman Gale das Thema.
    «Vermutlich», gab Jane zurück. «Es ist sehr
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