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Tod in den Wolken

Tod in den Wolken

Titel: Tod in den Wolken
Autoren: Agatha Christie
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wie jene auf dem Geschirr, das aus dem vierten Jahrtausend vor Christus stammt.»
    Und eine beredte Geste fegte beinahe die Schüssel herunter, die der Steward vor ihn hinstellte.
    Mr Clancy Verfasser von Kriminalgeschichten, erhob sich von seinem Platz hinter Norman Gale und trabte bis zum Ende des Flugzeugs, um aus der Tasche seines Regenmantels ein Kursbuch zu holen, anhand dessen er, auf seinen Platz zurückgekehrt, ein verzwicktes Alibi auszuarbeiten begann.
    Hinter ihm dachte Mr Ryder: Durchzuhalten ist nicht einfach. Weiß der Kuckuck, wie ich die Moneten für die nächste Dividende zusammenbringen soll!
    Jetzt stand Norman Gale auf und ging zur Toilette. Sobald er sich entfernt hatte, zog Jane ihren Spiegel hervor, prüfte eingehend ihr Make-up und benutzte Puderquaste und Lippenstift.
    Ein Steward stellte Kaffee vor sie hin.
    Jane starrte aus dem Fenster. Blau und schimmernd lag drunten der Kanal.
    Eine Wespe summte um den Kopf Mr Clancys, gerade als er sich mit dem Zug 19.50 Uhr ab Budapest beschäftigte, und geistesabwesend schlug er nach dem dreisten Insekt. Die Wespe flog weiter und widmete sich den Kaffeetassen der beiden Duponts. Jean Dupont machte ihr geschickt den Garaus.
    Im Flugzeug wurde es still. Die Unterhaltung schwieg, aber die Gedanken arbeiteten weiter.
    Ganz am Ende des Abteils, im Sitz Nr. 2, fiel Madame Giselles Kopf ein wenig nach vorn. Man hätte glauben können, sie sei vom Schlaf übermannt worden. Doch sie schlief nicht. Und ebenso wenig sprach sie oder dachte sie.
    Madame Giselle war tot.

 
2
     
    Behände von Sitz zu Sitz gehend, kassierte Henry Mitchell, der ältere der beiden Stewards, da man in einer halben Stunde Croydon erreicht haben würde. «Danke, Sir», sagte er und sammelte Silber und Scheine. Dann eine leichte Verbeugung: «Danke, Madame.» Bei den beiden Franzosen musste er ein oder zwei Minuten warten, weil Vater und Sohn allzu eifrig diskutierten. Viel Trinkgeld war da nicht zu erhoffen, überlegte Henry Mitchell pessimistisch.
    Zwei Fluggäste schliefen fest: der kleine, schnauzbärtige Herr und die alte Frau ganz hinten. Er erinnerte sich, dass sie schon mehrmals den Kanal überflogen und immer eine offene Hand gehabt hatte, und deshalb beschloss er, Rücksicht zu nehmen und sie vorläufig noch nicht zu stören.
    Der kleine Herr erwachte und zahlte für eine Flasche Selterwasser und ein Päckchen Zwieback – seine ganze Zeche.
    Fünf Minuten vor der Landung stand Mitchell neben der schlafenden Dame.
    «Pardon, Madame, die Rechnung.»
    Er berührte vorsichtig ihre Schulter, aber auch das weckte Madame Giselle nicht auf. Nun schüttelte er sie leicht, woraufhin der Körper unerwartet im Sessel zusammensackte. Bestürzt beugte Mitchell sich über die Frau, und als er sich wieder aufrichtete, war sein Gesicht aschfahl.
     
    «W… was… s… sagst du?», stammelte Albert Davis, der zweite Steward.
    «Bei Gott, es ist wahr», versicherte sein Kollege verstört. «Tot, ganz bestimmt – ich vermute, ein Anfall.»
    «In ein paar Minuten sind wir in Croydon.»
    «Ja, wenn ihr eben erst schlecht geworden ist…» Unschlüssig überlegten sie. Dann kehrte der ältere in das hintere Abteil zurück und schritt abermals von Platz zu Platz, den Kopf gebeugt und vertraulich murmelnd:
    «Entschuldigen Sie, Sir, sind Sie zufällig Arzt?»
    «Ich bin Zahnarzt», entgegnete Norman Gale. «Wenn ich jedoch irgendwie von Nutzen sein kann…» Er erhob sich halb von seinem Sessel, doch da meldete sich Dr. Bryant.
    «Ich bin Arzt. Worum handelt es sich?»
    «Dort hinten die Dame… Ihr Aussehen gefällt mir nicht.»
    Bryant begleitete den Steward, und unbemerkt folgte den beiden der kleine Mann mit dem Schnauzbart.
    Die Untersuchung währte nicht lange.
    «Sie ist tot», erklärte der Doktor, worauf Mitchell fragte:
    «Was hat ihr gefehlt? Eine Art Anfall?»
    «Das vermag ich ohne eingehende Untersuchung nicht zu sagen. Wann sahen Sie die Dame zuletzt? Lebendig, meine ich.»
    Der Steward überlegte, den Blick auf die zusammengesunkene Gestalt der schwarz gekleideten Frau gerichtet.
    «Als ich ihr den Kaffee brachte, war sie noch wohlauf. Das mag vor gut einer Dreiviertelstunde gewesen sein. Als ich dann mit der Rechnung kam, glaubte ich, sie schliefe.»
    «Sie ist mindestens schon eine halbe Stunde tot.»
    Das Zwiegespräch begann die Neugier der übrigen Passagiere zu erregen. Köpfe drehten sich, Hälse wurden gereckt.
    «Ich denke, es wird ein Anfall gewesen sein», ließ Mitchell
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