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Tod eines Träumers (Vera-Lichte-Krimi) (German Edition)

Tod eines Träumers (Vera-Lichte-Krimi) (German Edition)

Titel: Tod eines Träumers (Vera-Lichte-Krimi) (German Edition)
Autoren: Carmen Korn
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eingeschüchtert hatte in dem Zug zwischen Landungsbrücken und Rathaus.
    Gestern, nachdem er von ihr weggegangen war, hatte er gewünscht, sie sei seine Mutter. Seine eigene war gerade achtzehn Jahre alt geworden, als sie ihn geboren hatte.
    Wie Vera es gewesen wäre.
    Seine Mutter schien seitdem verschollen zu sein. Für ihn.
    Er ahnte, dass ihm Wissen vorenthalten wurde.
    Die Bahn donnerte aus dem Tunnel in die Station hinein.
    Er blieb von der Kante des Bahnsteiges fern. Fing er an, paranoid zu werden, dass er sich hier an die Kachelwand drückte, bis die Wagen stillstanden?
    Gerry blickte auf den Pappbecher Kaffee in seiner Hand.
    Vielleicht dachten sie sich was ganz anderes aus.
    Als er den Bahnhof Landungsbrücken verließ, sah er seine Großmutter in der Dämmerung stehen mit ihrer großen Einkaufstasche, die ihr am Arm hing.
    Gerry wischte sich über Wangen und Lippen.
    Das Rouge entfernen. Den Glanz. Wenigstens das. An der Wimperntusche würde er nichts ändern können. Die klebte.
    »Du siehst schlecht aus, Gerhard«, sagte seine Großmutter, »ich bringe dir was zu essen.«
    Gekochter Fenchel. Er ahnte es. Immer gab es Fenchel.
    Sie schien das für ein heilbringendes Gemüse zu halten.
    »Fenchel«, sagte sie. »Ist gut gegen Blähungen.«
    Hielt sie seine Seelenlage für eine Blähung?
    »Wie kann es sein, dass du gerade jetzt hier stehst?«
    »Du kommst immer um diese Zeit. Gehst kurz vor vier und kommst kurz vor sechs.«
    »Woher weißt du das?«, fragte Gerry. Gab es einen besseren Beweis, dass sie ihn verfolgten?
    Seine Großmutter zuckte die Achseln. Wusste sie auch, wo er wohnte? Kannte sie diese armseligen Zimmer, die er bezogen hatte, nachdem er von ihr denunziert worden war?
    »Gott sieht dich, Gerhard.«
    »Nein«, sagte Gerry, »er hat keine Ahnung von mir.«
    »Sag so was nicht«, sagte sie.
    Gerry wandte sich ab und ging. Er hörte ihr Getrippel. Eilige kleine Schritte hinter seinem Rücken.
    Gott sah ihn nicht, und sie sollte auch nicht sehen, wohin er ging. Er blieb stehen. »Dann gib mir den Fenchel«, sagte er.
    »Ich weiß, wo du wohnst«, sagte sie.
    Ihre ganze verdammte Gemeinde hatte sie auf ihn gehetzt, um ihn aus dem Sündenbabel zu befreien. Es konnte nicht nur der große Kerl im Anorak sein, der ihn verfolgte. Vermutlich liefen noch ganz andere hinter ihm her.
    »Geh jetzt«, sagte Gerry.
    Seine Großmutter zerrte an ihrer Tasche und holte den Henkelmann hervor. Das alte Ding aus grauer Emaille.
    Gerry nahm ihn. »Ich hab was zu lesen für dich«, sagte sie und griff noch einmal in die Tasche.
    Gerry schüttelte den Kopf. Er würde keines dieser Traktate mehr in die Hand nehmen.
    Den langen Schritten, zu denen er nun ausholte, konnte seine Großmutter mit ihrem Getrippel nicht folgen. Dennoch drehte er sich nach allen Seiten um, ehe er die Haustür aufschloss. Er sah nur zwei Türkenjungen und atmete auf.
    Anni Kock entstieg ihrem Bus und verabschiedete sich ein wenig ungeduldig von all den Witwen und Waisen, die mit ihr die Kriegsgräber Kurlands aufgesucht hatten.
    Vera stand da und hielt den Kleinen auf dem Arm, und neben ihr wartete ein Taxi mit einem Fahrer, der den Koffer entgegennahm.
    »Dass ich endlich wieder da bin«, sagte Anni und drückte Vera und den Kleinen und guckte, ob auch keiner dünner geworden war. »Wo ist denn Nick?«
    »Dass du endlich wieder da bist«, sagte Vera.
    Sie saßen schon im Taxi, als Anni zum zweiten Mal nach Nick fragte. »Wir haben uns gestritten«, sagte Vera.
    »Kaum bin ich mal weg«, sagte Anni.
    »Er hat mich die Mutter Theresa des Talmis genannt.«
    Anni gab ihr einen besorgten Blick. »Singst du wieder in einer Bar?«, fragte sie.
    »Willst du meine Kunst Talmi nennen?«
    »Also ist es wieder so weit.« Anni seufzte.
    »Nein«, sagte Vera, »ich habe einen Jungen kennen gelernt, der dir gefallen wird. Er hat kaum was auf den Knochen. Du kannst also wunderbar zufüttern.«
    »Du hast doch Hauke«, sagte Anni vorwurfsvoll.
    Vera wusste einen Augenblick lang nicht, warum sie Anni so vermisst hatte. »Erstens habe ich Hauke nicht, sondern seine Polizeiwache in Brandum hat ihn. Zweitens steht der Junge absolut in keiner Konkurrenz zu Hauke.«
    »Also ist er noch ein Kind.«
    »Irgendwie schon«, sagte Vera, »obwohl er zweiundzwanzig Jahre alt ist und nicht weiß, ob er Mann oder Frau sein will.«
    »Ach du liebe Güte«, sagte Anni. Doch eigentlich war sie erleichtert. Das konnte sie nicht erschüttern. »Was willst du denn mit ihm?«,
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