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Tod eines Träumers (Vera-Lichte-Krimi) (German Edition)

Tod eines Träumers (Vera-Lichte-Krimi) (German Edition)

Titel: Tod eines Träumers (Vera-Lichte-Krimi) (German Edition)
Autoren: Carmen Korn
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auf den Schoß genommen, sobald er sein Lied zu Ende gesungen hatte.
    Sie würde ihm ihre Visitenkarte in die Garderobe bringen lassen. Vera Lichte war und blieb ein großbürgerliches Kind, das gerne Gutes tat.
    Anni war dort hingereist, wo einmal Kurland gewesen war.
    Ihr Vater hatte bei Aizpute sein Leben gelassen. Damals hatte es noch Hasenpoth geheißen. Kurz vor Annis zehntem Geburtstag war er gefallen. In diesem Dezember stand ihr Siebzigster bevor, und das hatte Anni vorher noch erledigen wollen, den Friedhof besuchen, auf dem der Gefreite Hans Kock begraben lag, und ihm eine Flasche Helbings Kümmel auf das Grab gießen. Den hatte er immer gern getrunken.
    Oft zu viel davon. Dann hatte er gegen Hitler gewettert, und Annis Mutter versteckte ihn im Keller und schaufelte Kohlen auf die Klappe, unter der er saß. Gab doch immer einen Nachbarn, der die Gestapo holte, wenn Hans Kock anfing, die Wahrheit lauthals kundzutun.
    Da lag er in kurländischer Erde, die nun lettisch hieß, und Anni hatte das Gefühl, eine letzte Tochterpflicht zu erfüllen.
    Wäre alles gut gewesen, nur leider machte sie sich Sorgen, wie es in Hamburg so ging. Ohne sie. Noch nie hatte sie ihr Verakind allein gelassen, wenn sie auch zugeben musste, dass Vera Anfang des Jahres vierzig geworden war.
    Billie kochte gut. Billie aus Benin, den Vera eigentlich als Putzmann angestellt hatte. Doch immer diese Saucen aus Erdnüssen. ob Vera die vertrug? Und Nicholas?
    Anni blickte in den Birkenwald, der vor ihr lag. Sie hielt noch die leere Flasche Helbings Kümmel in der Hand. Ihr Vater hatte Birken gern gehabt. Das silbrige Laub im Frühling. Doch nun war Herbst, und die Blätter fielen.
    Die anderen aus der Reisegruppe waren schon zum Bus zurückgegangen. Gleich gab es Kaffee und Kuchen. In einem ländlichen Gasthaus, stand im Programm. Alles war hier ländlich.
    »Vera hat nämlich jetzt einen Sohn«, sagte sie ihrem Vater, der lange vor Veras Geburt gestorben war und schon darum nicht erfahren konnte, welch eine Rolle die Lichtes im Leben seiner Tochter spielen sollten. Veras Kinderfrau war sie geworden, kaum dass das Kind auf der Welt gewesen war, und sie hatte nie aufgehört es zu sein. Oder?
    Bevor Anni Kock in den Bus nach Lettland gestiegen war, hatten Vera und Nick sie geküsst und umarmt, und der kleine Nicholas saß in seiner Karre und hatte ganz besorgt geguckt, dass seine Anni wegfuhr, und Nick hatte noch einen Witz erzählt.
    Was ist der Unterschied zwischen einer Mame und einem Piranha? Ein Piranha lässt irgendwann los.
    Anni war weder Mutter noch eine jüdische Mutter. Doch sonst stimmte alles.
    Nur noch ein paar Tage, dann würde sie wieder zu Hause sein. Bei Vera und Nicholas und Nick.
    Jef, den Vater des Kleinen, gab es ja nicht mehr.
    »Ihr sterbt alle viel zu früh«, sagte Anni dem Grab von Hans Kock. Dann drehte sie sich um und ging zum Bus. Die leere Flasche Kümmel ließ sie in einem Weißdornbusch zurück.
    Der schwarze dünne Mann, der Billie Togbin hieß und aus einem Dorf des westafrikanischen Landes Benin stammte, beugte sich über die Zettel, die Anni ihm zurückgelassen hatte. Möhrchen in Butter, entzifferte er. Milchreis mit Apfelmus. Er blickte zu dem bald anderthalbjährigen Jungen, der in seinem Hochstühlchen saß und ihn beobachtete.
    »Erdbutt«, sagte Nicholas.
    Billie lächelte ihn dankbar an und schnitt eine Scheibe Weißbrot ab, um sie mit Erdnussbutter zu bestreichen.
    »Mir bitte eine Scheibe mit Annis Kirschkonfitüre«, sagte Vera in einer Aufwallung von Loyalität. Sie hatte eine Stunde in der Bügelkammer gestanden und Hemdchen und Höschen gebügelt und die eigenen Blusen und Anni sehr vermisst.
    »Nur noch zwei Tage, dann ist Madame Anni zurück, sagte Billie. Er fand, dass Vera erhitzt aussah. Échauffée.
    Der Oktober blieb warm, obwohl der zweiundzwanzigste schon vorbei war. Jefs zweiter Todestag. Auch damals hatte die Sonne geschienen, doch es war kalt gewesen, als Jef von einem Auto getötet wurde. Absichtlich getötet.
    In dem Kronleuchter aus venezianischem Glas, der über dem Küchentisch hing, fingen sich Strahlen der späten Sonne. Vera kniff die Augen zusammen, obwohl sie kein zu helles Licht irritierte, nur die eigenen Gedanken. Sie dachte an Jef und an den Jungen, der Gerry hieß.
    Sie hatte ihn nach seinem Auftritt in dem dunklen Lokal nicht mehr gesehen und kaum geglaubt, dass die Karte mit ihrem Namen und ihrer Adresse ihn erreicht habe.
    Doch er hatte angerufen. Gestern am
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