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Tod eines Träumers (Vera-Lichte-Krimi) (German Edition)

Tod eines Träumers (Vera-Lichte-Krimi) (German Edition)

Titel: Tod eines Träumers (Vera-Lichte-Krimi) (German Edition)
Autoren: Carmen Korn
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späten Abend hatte er angerufen und ein bisschen betrunken geklungen.
    »Wann kommt der Gast?«, fragte Billie.
    »Um neun. Wir werden zu viert sein. Nick kommt auch dazu.«
    »Ich habe ein großes Huhn gekauft, sehr groß, und werde viel Yampüree kochen. Mit Erdnusssauce. Nicholas isst mit?«
    »Der sollte dann schon schlafen«, sagte Vera, »ich dachte, dass Sie dabei sein werden, Billie.«
    Billie Togbin schüttelte den Kopf. »Das geht nicht, wenn ein Gast da ist«, sagte er.
    »Ich glaube kaum, dass unser Gast viel von Konventionen hält«, sagte Vera. Vielleicht sollte sie eher Billie aufklären.
    Warum hatte sie Gerry eingeladen? Welche Gefühle weckte er in ihr? Du hast schon immer einen Hang zur Halbwelt gehabt, hatte Nick heute Vormittag gesagt, als sie ihn einlud, und natürlich die Bongo Bar gemeint.
    Nein. Die Bongo Bar war keine Halbwelt gewesen. Jef hatte dort Klavier gespielt und Vera gesungen. Jazz. Den leichten Jazz, wie Amerikaner ihn zu schreiben vermochten und damit in die Herzen derer fanden, die auf der ewigen Suche waren. Nach Liebe. Nach dem Leben.
    Gerry war auf der Suche. Dessen war Vera sich sicher.
    Darum gefiel er ihr.
    »Würde das Huhn auch noch für Herrn van Engelenburg reichen?«, fragte Vera und fing Billies zweifelnden Blick auf.
    Ihr Nachbar Engelenburg war für seinen großen Appetit bekannt. Den hatte auch schon Billie erfahren.
    »Ich mache noch mehr Yampüree«, sagte er.
    Warum war ihr Engelenburg nicht vorher eingefallen? Der einstige Bankier hielt zwar die konservativen Werte hoch, doch er war einer der tolerantesten Menschen, die Vera kannte. Vielleicht konnte er sogar etwas tun für dieses verlorene Küken Gerry. Jan van Engelenburg war ein Mann mit vielen Kontakten.
    »Essen wird in der Küche serviert?«, fragte Billie, den die Bräuche in der herrschaftlichen Wohnung mit acht Zimmern noch immer wunderten.
    »Wo sonst«, sagte Vera, als gebe es kein Esszimmer mit einem polierten Tisch für zwölf Personen und passenden Stühlen, die mit schwarzem Rosshaar bezogen waren.
    »Wir gehen jetzt Mangos kaufen, Nicholas. Die gibt es dann zum Dessert«, sagte Vera.
    Nicholas lachte. Er war ein lebensfrohes Kind. Ganz der Enkel von Gustav Lichte, dem Komponisten leichter Lieder, der seine Tochter Vera so wohlversorgt hatte und ihr damit alle Freiheit gab, ihr Leben großzügig zu leben.
    Vielleicht war es zu viel Freiheit.
    Gerry Köpke war verlegen gewesen. Die große Wohnung im Jugendstilhaus. Der schwarze Koch. Der strengblickende Nick. Der dicke Herr van Engelenburg, der schon die Deckel der Töpfe hob. Vera.
    Er hielt den Strauß weißer Chrysanthemen hinter dem Rücken und zögerte, ihn aus dem Papier zu wickeln, fand auf einmal, dass sie aussahen wie die kargen Gestecke, die seine Großmutter auf das Grab des Großvaters stellte.
    Was wollte er hier? Ein wenig von dem Glanz erwischen, der schon von der Visitenkarte zu lesen war? Die feine Struktur. Leinen. Die erhabene Schrift in einem hellen Grau.
    Gerry verstand etwas davon. Er hatte eine Lehre in einer kleinen Druckerei gemacht, die jenseits von Gut und Böse gewesen war in ihrem Anachronismus. Die Traktate einer kirchlichen Gemeinde waren dort gedruckt wurden, der seine Großmutter angehörte. Den Lehrvertrag hatte sie damals unterschrieben. Für Gerhard Köpke. Er war sechzehn Jahre alt gewesen. Vor sechs Jahren.
    Er hatte seine Großmutter zuletzt im September gesehen. Da waren ihm die Haare schon bis auf die Schultern gewachsen, und wenn er auch ohne Schminke gewesen war und ein Hemd und Jeans und Boots trug, hatte sie ihn doch beinah angespuckt vor Verachtung.
    Er hatte ein ähnliches Hemd und dieselben Jeans und Stiefel angezogen heute Abend. Doch die Wimpern waren getuscht, und Glanz lag auf den Lippen und Rouge auf den Wangenknochen. Vera würde er kaum schockieren, und auch die anderen sollten ihn sehen, wie er war. Einer, der auf einem schmalen Grat balancierte und noch nicht wusste, auf welcher Seite er abspringen wollte.
    Gerry Köpke hatte das zweite Glas von dem kräftigen Riesling geleert und schon von seiner Großmutter erzählt, als er sich traute, Vera die Frage zu stellen, die ihm am Herzen lag, seit er ihre Karte in der Hand gehalten hatte.
    »Sammeln Sie Exoten?«
    Vera lachte. »Wen finden Sie hier am exotischsten, Gerry?«
    Engelenburg sah ihn aufmerksam an. Der schüchternste Junge, der ihm je begegnet war. Er dachte an seine drei erwachsenen Söhne, die vor Selbstbewusstsein
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