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Tod den Unsterblichen

Tod den Unsterblichen

Titel: Tod den Unsterblichen
Autoren: Frederik Pohl
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sie morgen einfach Rührei vor ihn hinstellen. Dann äße er es wahrscheinlich.
    Natürlich war das nicht das eigentliche Problem.
    Locille erschauderte. Sie fühlte sich recht hilflos. Es war zum Verzweifeln, sich so viel daraus zu machen, was mit einem anderen vorging, und so weit abseits zu stehen.
    Rennende Schritte ertönten hinter ihr und verlangsamten ihr Tempo.
    »Hei«, keuchte ihr regelmäßigster Begleiter, Egerd, und paßte sich ihren Schritten an. »Warum hast du nicht an der Tür auf mich gewartet? Wie steht es mit Samstagabend?«
    »Oh, hallo. Ich weiß noch nicht. Vielleicht brauchen sie mich beim Fakultätsball.«
    Egerd sagte brüsk: »Sag ihnen doch, daß du nicht kannst. Daß du zum Texas mußt. Daß dein Bruder, hm, irgendeine Krankheit bekommen hat und du deiner Mutter bei der Pflege helfen mußt.«
    Locille lachte.
    »Ach, weißt du, Carnegan gibt mir sein Boot für diesen Abend. Wir könnten bis hinunter zum Hook fahren.«
    Locille überließ ihm heiter ihre Hand. Sie mochte Egerd. Er war ein gutaussehender Bursche und freundlich. Er erinnerte sie an ihren Bruder … also nicht an ihren wirklichen, lebenden Bruder, sondern an den Bruder, den sie hätte haben können. Sie mochte Egerd. Aber sie hatte ihn nicht gern . Der Unterschied war für sie ganz deutlich. Egerd, zum Beispiel, hatte sie offensichtlich gern .
    Egerd sagte: »Na, du brauchst dich ja nicht jetzt zu entscheiden. Ich werde dich morgen noch mal fragen.« Das zeugte von Kaufmannsinstinkt; es war immer besser, es bei einem Unternehmen bei einem »Vielleicht« zu belassen, als ein »Nein« zu erhalten. Er führte sie zwischen zwei großen Gebäuden hindurch zu den Hintergärten des Campus, wo die Fakultät der Agronomie einen kleinen japanischen Pavillon in der Mitte der fünfzehn Morgen messenden, intensiv bebauten Versuchsfelder für Erbsen und Weizen errichtet hatte. »Ich fürchte, ich habe mir heute morgen beim alten Carl ein paar Tadel eingehandelt«, sagte er düster, als er daran zurückdachte.
    »Wie dumm«, sagte Locille, obwohl das nichts Ungewöhnliches war. Aber dann weckte er ihre Aufmerksamkeit.
    »Dabei habe ich nur versucht, Cornut einen Gefallen zu erweisen. Versucht? Verdammt noch mal, ich habe ihm das Leben gerettet.« Sie war jetzt ganz Ohr. Er fuhr fort: »Er war praktisch schon aus dem Fenster. Einfach übergeschnappt! Weißt du, ich glaube, bei der Hälfte dieser Professoren ist eine Schraube locker .! Jedenfalls wäre er, wenn ich nicht gerade noch aufgetaucht wäre, tot gewesen. Plumps. Mitten auf dem Campus.«
    »Dabei«, fügte er heiter hinzu, »hatte ich mich ein bißchen verspätet.«
    »Egerd!«
    Er blieb stehen und sah sie an. »Was ist denn los?«
    Sie tobte: »Du hättest dich nicht verspäten dürfen! Hast du denn nicht gewußt, daß Master Cornut sich auf dich verließ? Also wirklich, du solltest vorsichtiger sein!«
    Sie war tatsächlich böse auf ihn. Egerd musterte sie nachdenklich und schwieg; irgendwie war ihm die Freude verdorben worden. Jäh nahm er ihren Arm.
    »Locille«, sagte er völlig ernst, »bitte heirate mich für eine Weile. Ich weiß, ich habe hier nur ein Stipendium, und meine Noten sind schwach. Aber ich gehe nicht zurück. Hör zu, ich mache Mathe nicht weiter. Ich habe mit jemandem von der Medizin gesprochen. Dort gibt es eine Menge Jobs am Seucheninstitut, und dabei kommen mir meine Mathekenntnisse zugute. Ich bitte dich nicht um zehn Jahre deines Lebens. Wir können ja von Monat zu Monat weiter sehen, und sogar wenn du gegen eine Verlängerung bist, schwöre ich dir, daß ich es dir nicht übelnehme. Aber laß mich den Versuch machen, dich dazu zu bringen, bei mir bleiben zu wollen, Locille. Bitte. Heirate mich.«
    Er schaute zu ihr herab, das breite sonnengebräunte Gesicht völlig offen, abwartend. Sie schaute ihm nicht in die Augen.
    Nach einem Augenblick nickte er gefaßt.
    »Nun gut, ich kann mich nicht mit Master Cornut messen, nicht wahr?«
    Sie runzelte plötzlich die Stirn. »Egerd, ich hoffe, du hast nicht das Gefühl … ich meine, nur weil du dir einbildest, daß ich mich für Master Cornut interessiere. Ich hoffe …«
    »Nein«, sagte er grinsend. »Ich lasse ihn nicht aus dem Fenster stürzen. Aber weißt du was? So hübsch du auch bist, Locille, ich glaube nicht, daß Cornut überhaupt weiß, daß du existierst.«
     
    Der Analytiker folgte Cornut durch die Tür. Er war wütend, daß er seinen Willen nicht durchgesetzt hatte – nicht auf Cornut im
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