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Tod den Unsterblichen

Tod den Unsterblichen

Titel: Tod den Unsterblichen
Autoren: Frederik Pohl
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vielen Dank.« Er verlängerte seine Augenbrauen ein Stückchen nach unten.
    Die Uhr tickte halbe Sekunden. Cornut zog Altersfurchen (das war der Preis dafür, bereits mit dreißig ordentlicher Professor zu sein) und schminkte sich die Lippen. Er beugte sich vor, um sich noch genauer im Spiegel zu mustern, aber der Produzent unterbrach ihn. »Einen Augenblick … Verdammt, Mensch, nicht so viel Rot!«
    Der Kameramann machte eine Probeaufnahme; im Monitor wirkte Cornuts Bild einen Stich blasser, einen Stich grüner.
    »Das ist besser. Fertig, Professor?«
    Cornut wischte sich die Finger an einem Tuch ab und setzte die goldene Perücke auf. »Fertig«, sagte er und stand auf, als der Minutenzeiger auf Punkt zehn rückte.
    Aus einem Gitter über dem Bildschirm, der die ganze Vorderwand des Studios einnahm, ertönte seine für das Studioauditorium gedämpfte Erkennungsmelodie. Cornut ging auf seinen Platz vor dem Seminar zu, verbeugte sich, nickte, lächelte und tastete mit dem Fuß nach dem Pedal des Souffleurs, bis er es schließlich fand.
    Das Seminar war voll. Er hatte über hundert Studenten leibhaftig vor sich. Cornut hatte gern ein großes Auditorium aus Fleisch und Blut – weil er an Traditionen hing, aber mehr noch, weil er den Gesichtern ablesen konnte, wie gut er ankam. Dieses Seminar gehörte zu seinen Lieblingsseminaren. Sie gingen auf seine Stimmung ein, ohne es zu übertreiben. Sie lachten nicht zu laut, wenn er einen konventionellen akademischen Witz machte, sie hüstelten und flüsterten nicht. Sie lenkten nie die Aufmerksamkeit des größeren, breiteren Fernsehauditoriums von ihm selbst ab.
    Cornut ließ seinen Blick über das Seminar wandern, während der Ansager seine Einführung für die Fernsehzuschauer beendete. Er erblickte Egerd, der über irgend etwas aufgebracht und gereizt zu sein schien und mit dem Mädchen aus dem Speisesaal der Fakultät flüsterte. Wie hieß sie doch? Locille. Glücklicher Bursche, sagte sich Cornut geistesabwesend, und dann kam ihm der Binomische Lehrsatz in den Sinn – der immer nahe lag – und verdrängte alles andere.
    »Guten Morgen«, sagte er, »wir wollen uns gleich an die Arbeit machen. Heute behandeln wir die Verwandtschaft des Pascalschen Dreiecks mit dem Binomischen Lehrsatz.« Orgelmusik untermalte seine Worte. Hinter ihm, auf dem Monitor, erschienen die Zeichen p + q in goldglänzenden Buchstaben. »Ich nehme an, daß Sie alle noch wissen, was der Binomische Lehrsatz ist – es sei denn, Sie haben Ihre Vorlesungen geschwänzt.« Sehr leises Gelächter – eigentlich nur ein kaum hörbares Glucksen, wie es einem so kleinen Scherz eben gebührte. »Die Erweiterung von p plus q ist natürlich deren zweite, dritte, vierte Potenz und so weiter.« Hinter ihm multiplizierte eine unsichtbare Hand p + q in strahlendem Gold mit sich selbst. » P plus  q -Quadrat ist p- Quadrat plus zwei pq plus q- Quadrat. P  plus q hoch drei ist …« Der Goldschreiber notierte das Ergebnis, während Cornut sprach: p 3 +3p 2 q + 3pq 2 + q 3 .
    »Das ist doch wirklich kinderleicht, oder nicht?« Er machte eine Pause, dann, ohne mit der Wimper zu zucken: »Wie kommt es also, daß Sticky Dick sagt, fünfzehn Prozent von Ihnen seien bei der letzten Klausurarbeit gerade hierin durchgefallen?« Wärmeres Kichern, akzentuiert durch ein paar laute, verblüffte Hahas von hinten. Oh, das war ein prima Seminar.
    Die Zeichen und Zahlen wischten sich auf dem Bildschirm von selbst aus, und ein kleiner Zeichentrickmaurer errichtete mit hochrotem Kopf eine Backsteinpyramide:
    »Vergessen Sie jetzt einen Augenblick den Lehrsatz – was einigen von Ihnen bestimmt nicht schwerfallen wird!« (Leises Kichern, das er überging.) »Betrachten Sie das Pascalsche Dreieck. Wir bauen es wie eine Backsteinmauer auf, nur … Warten Sie eine Minute, mein Freund.« Der Zeichentrickmaurer hielt inne und schaute neugierig ins Auditorium. »Nur fangen wir nicht unten an. Sondern bauen von oben nach unten.« Der Zeichentrickmaurer plumpste vor Erstaunen komisch auf die Nase. Dann zuckte er mit den Achseln, wischte die alte Mauer mit seinem Lappen weg, hing einen Backstein in die Luft und baute darunter ein Dreieck. »Und wir nehmen keine Backsteine«, fügte Cornut hinzu, »sondern Zahlen.«
     

     
    Der Maurer richtete sich auf, gab der Mauer auf dem Bildschirm einen Fußtritt und flog selbst hinterher, wobei er am Rande des Blickfelds gerade lange genug verhielt, um Cornut die Zunge herauszustrecken. Der
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