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Tod den Unsterblichen

Tod den Unsterblichen

Titel: Tod den Unsterblichen
Autoren: Frederik Pohl
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besonderen, sondern wütend im allgemeinen. Cornut sagte steif: »Es tut mir leid, aber ich werde nicht alles andere beiseite schieben.«
    »Es wird Ihnen nichts anderes übrigbleiben, falls es Ihnen gelingen sollte, sich umzubringen.«
    »Und das sollen Sie verhüten, nicht wahr? Oder ist die ganze Sache einfach Zeitverschwendung?«
    »Es ist jedenfalls besser, als sich umzubringen.«
    Cornut zuckte die Achseln. Das war ein logisch unwiderlegbarer Standpunkt. Der Analytiker ließ nicht locker: »Wollen Sie nicht über Nacht hierbleiben? Beobachtungen könnten uns die Antwort geben …«
    »Nein.«
    Der Analytiker zögerte, zuckte die Achseln, schüttelte Cornut die Hand. »Also schön. Vermutlich wissen Sie, daß ich, wenn es nach mir ginge, Sie gar nicht darum bitten würde. Ich würde Sie in die Klinik einweisen.«
    »Natürlich würden Sie das«, beschwichtigte Cornut. »Aber es geht nun einmal nicht nach Ihnen, oder? Zweifellos haben Sie schon versucht, eine Zwangseinweisung beim Senatsbüro zu erwirken, nicht wahr?«
    Der Analytiker hatte wenigstens die Güte, peinlich berührt auszusehen. »Autoritäre Intervention«, brummte er, »man sollte doch meinen, Sie hätten Verständnis dafür, daß auch die Bekämpfung der Geisteskrankheiten von Zeit zu Zeit etwas Unterstützung braucht …«
    Cornut verließ den immer noch murmelnden Analytiker. Er trat in die Hitze des Innenhofs, und der Lärm traf ihn wie ein Faustschlag. Er machte sich aber nichts daraus; er war daran gewöhnt.
    Er hatte sich so weit erholt, daß er amüsiert an das knappe Entrinnen heute morgen denken konnte. Es war verzwicktes Gefühl, in das sich Sorge mischte, aber er war immerhin imstande, auch die komische Seite zu sehen. Und es war einfach lächerlich. Selbstmord! Verzweifelte Leute begingen Selbstmord, keine glücklichen. Cornut war völlig glücklich.
    Sogar der Analytiker hatte das zugeben müssen. Es war reine Zeitverschwendung gewesen, ihn in seinen verschwommenen Kindheitserinnerungen nach irgendeiner frühen, schwärenden, seelischen Wunde wühlen und wühlen zu lassen, deren Gift aus einem unbekannten Schlupfwinkel floß. Er hatte keine! Wie sollte er auch? Er stammte aus dem Akademikermilieu. Seine Eltern waren an der Fakultät dieser Universität gewesen. Ehe er laufen konnte, war er in den Hort und Kindergarten gesteckt worden, die von den bestgeschulten Fachkräften der Welt nach den besten Prinzipien der Kindererziehung geleitet wurden. Jedes Kind erhielt Liebe und Geborgenheit, jedes Kind erhielt das, was die größten Geister der Kinderpsychologie vorschrieben. Trauma? Es konnte einfach keins geben!
    Es war nicht nur allem Anschein nach unmöglich, sondern auch Cornuts ganze Persönlichkeit wies keinerlei Anzeichen dafür auf. Seine Arbeit machte ihm große Freude, und obwohl er wußte, daß ihm etwas fehlte – eine sichere, feste Liebe –, fühlte er, daß er sie auf die Dauer finden würde. Es kam ihm nicht in den Sinn, das beschleunigen zu wollen.
    »Guten Morgen, guten Morgen«, sagte er höflich zu den Studentengrüppchen auf den Gehwegen. Er begann eines von Carls mnemotechnischen Liedern zu pfeifen. Die Studenten, die ihm zunickten, lächelten. Cornut war ein beliebter Professor.
    Er ging an der Phil-Halle, dem Lite-Bau, dem Vormed- und Verwaltungs-Turm vorbei. Je weiter er sich von seiner Heimstätte entfernte, desto kleiner wurde die Anzahl der Studenten, die ihn grüßten, aber sie nickten immer noch dem Professorentalar höflich zu. Das Dröhnen ferner Flugzeuge erfüllte den Himmel.
    Der große Stahlbogen der Bay Bridge lag zwar hinter ihm, aber er konnte den nie endenden Autolärm darauf hören, und weiter weg das noch lautere Summen der Stadt.
    Cornut blieb vor der Tür des Studios stehen, in dem er seine erste Vorlesung halten sollte.
    Über die Meerenge warf er einen Blick auf die Stadt, in der Leute lebten, die nicht studierten. Da lag ein Geheimnis. Es war, dachte er, ein noch größeres Problem als der stumme Mörder in seinem eigenen Gehirn. Aber es war kein Problem, das er je zu lösen brauchte.
    »Ein guter Lehrer ist ein gutgeschminkter Mann.« Das war eine von Master Carls Maximen. Cornut setzte sich an den langen Tisch und trug einen Klecks farbloser Unterlagen auf jede Backe auf. Das Kamera-Team stellte die Linsen auf ihn ein, während er die Creme, stets von den Backenknochen abwärts, in seine Haut rieb.
    »Haben Sie Hilfe nötig?« Cornut sah auf und grüßte seinen Produzenten.
    »Nein,
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