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Tod am Zollhaus

Tod am Zollhaus

Titel: Tod am Zollhaus
Autoren: Petra Oelker
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Euch zu werben. Der, den Ihr liebt, ist zu beneiden. Er bekommt nicht nur eine bezaubernde, sondern auch eine starke Frau.»
    «Dann verzeiht Ihr mir? Werdet Ihr mir helfen? Bitte, Ihr müsst mir helfen.»
    «Wobei soll ich Euch helfen? Muss er noch überzeugt werden, Euch wiederzulieben?»
    «O nein, Monsieur, das tut er längst. Obwohl er sagt, dass es manchmal nicht leicht ist.»
    Sie kicherte zufrieden. Das Pathos, mit dem ihre Stimme bei der Androhung des edlen Todes der tragisch Liebenden vibriert hatte, war so schnell verflogen, wie es gekommen war.
    «Aber er will mich so, wie ich bin. Nur mein Vater will ihn nicht so, wie er ist. Das, Monsieur, ist unser Problem. David versteht nichts von Schiffen, Zahlen und Fässern, von Zucker, Gerste und Wolle. Er will auch nichts davon verstehen. Nicht einmal aus Liebe zu mir.»
    Wieder begann sie ihr malträtiertes Spitzentuch zwischen den Fingern zu drehen. «Er würde sterben, wenn er nicht mehr malen könnte, denn er ist ein wunderbarer Maler. Monsieur, Ihr habt vor ein paar Tagen gezeigt, dass Ihr die Malerei liebt, dass Ihr sie sogar versteht, was selten ist bei einem Kaufmann. Ihr müsst mir helfen! Wenn ich David nicht heiraten darf, brennen wir einfach durch. Es gibt einen Schmied in Schottland, der darf jeden trauen, auch ohne die Erlaubnis des Vaters. Ich würde so gerne durchbrennen, aber», fügte sie ärgerlich hinzu, «David will nicht mitmachen. Er findet Durchbrennen unehrenhaft.»
    «Was für ihn spricht!» Claes ertappte sich bei dem Gedanken, der ehrenhafte David rechne sich vielleicht nur aus, dass er kaum auf Emilys Erbschaft hoffen konnte, wenn er sie entführte. «Warum will Paul Euren David nicht? Er liebt doch auch die Malerei. Hat er sich nicht sogar von dem jungen Gainsborough portraitieren lassen, als er im letzten Jahr in Bath zur Trinkkur war?»
    «O ja! Er liebt schöne Bilder. Vor allem, wenn darauf Schiffe und das Meer zu sehen sind. Oder Damen. Und er liebt es, mit Malern über Fragen der Perspektive und des Spiels von Licht und Schatten zu streiten. Aber er liebt keinen Maler, der seine Tochter liebt.» Sie sah ihn flehend an. «Mein Vater vertraut Euch seit vielen Jahren, er schätzt Euer Urteil. Wenn Ihr ihn überzeugt, dass David mich wahrhaft liebt und eine große Zukunft hat, wird er uns erlauben zu heiraten. Bitte.»
    Da war nichts mehr von der gelangweilten Kühle, die sie ihm in den vergangenen Wochen gezeigt hatte. Der brennenden Leidenschaft in ihren Augen, der Hitze, die Claes schon am Abend zuvor neidvoll im Gesicht des jungen Jouffroy gesehen hatte, konnte er nicht widerstehen. Er dachte flüchtig an Sophie. Ob sie auch solche Augen haben konnte? Er würde sich mehr um seine Tochter kümmern müssen, wenn er wieder in Hamburg war. Auch dort gab es schöne junge Maler, die keinen Sinn für Schifffahrt und Zahlen hatten.
    «Ihr verlangt viel von mir, Emily, gerade weil Euer Vater mir vertraut. In einem habt Ihr gewiss recht: Die Verlockung, Euch als meine Braut zu erobern, war immer groß, aber der Gedanke daran war mir nicht leicht. Ich bin zu alt für Euch. Nein, keine Widerrede. Ich weiß, dass Ihr genauso denkt.»
    Sie dachte nicht im Geringsten an Widerrede. Auch wenn sie David nicht geliebt hätte, konnte sie sich nicht vorstellen, einen Mann zu heiraten, der kaum jünger war als ihr Vater.
    «Wie kann ich Euren Vater davon überzeugen, dass David – wer immer er sein mag – der richtige Mann für Euch ist?» Claes sah lächelnd in das glühende Gesicht. «Am besten, Ihr bringt mich zu Eurem Maler, vielleicht heute Nachmittag, damit ich mir seine Bilder ansehen kann. Und, wenn Ihr gestattet, auch ihn selbst. Ohne ein kleines Examen geht es nicht. Ihr habt es selbst gesagt: Es ist für das ganze Leben.»
    Später erzählten sich die Leute von St. Aubin, die Verlobung zwischen Emily und dem deutschen Kaufmann sei nun wohl endlich verabredet. Die Köchin von Madame Boucher habe gesehen, wie die Mademoiselle, Tränen des Glücks auf beiden Wangen, den Freund ihres Vaters auf dem Weg zum Haus der St. Roberts umarmt und geküsst habe. Kurz bevor die Sache mit den Fässern passiert sei.
     
    Claes hätte gerne laut gesungen, als er sich wieder auf den Weg zum Hafen machte. Er hatte lange nicht mehr gesungen, vom sonntäglichen Kirchenbesuch einmal abgesehen, und er würde es auch heute nicht tun. Aber das Gefühl der Erleichterung war köstlich. Natürlich würde nun die Suche nach einer Ehefrau wieder von vorne
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