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Tod am Zollhaus

Tod am Zollhaus

Titel: Tod am Zollhaus
Autoren: Petra Oelker
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Tochter neugierig an. Sie schien nervös, das Spitzentuch in ihren Händen war verdreht und feucht. «Warum sollte ich mich langweilen? Ich habe selten in so kurzer Zeit so viele interessante Menschen kennengelernt wie in Eurem Haus. Und in so charmanter Gesellschaft kann ich mich gar nicht langweilen.» Er sah sich suchend um. «Eure Gesellschafterin scheint verschwunden zu sein. Darf ich Euch nach Hause begleiten? Oder wollt Ihr auch Euren Vater besuchen?»
    Sie überlegte, als sei dies eine Frage von großer Bedeutung. «Nein», entschied sie schließlich. «Ich will nicht zu meinem Vater. Ihr dürft mich nach Hause begleiten.»
    Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinanderher. Plötzlich blieb sie stehen. Sie holte tief Luft und sah ihn fest an.
    «Habt Ihr Euch entschieden?», fragte sie. «Wollt Ihr mich heiraten?»
    Alle Nervosität schien nun, da die Frage ausgesprochen war, verflogen. Sie lachte leise auf. «Schaut nicht so schockiert. Glaubt Ihr tatsächlich, ich wüsste nicht, dass Euer Problem mit dem Kaffeehandel nicht der einzige Grund für Euren Besuch ist? Glaubt Ihr tatsächlich, ich wüsste nicht, dass mein Vater mich mit Euch verheiraten will? Wollt Ihr mich heiraten, Monsieur Herrmanns?»
    Claes schluckte. Bisher hatte sie ihm nicht das kleinste Zeichen gegeben. Kein Blick, kein sanftes Wort hatten verraten, dass er Einlass in ihre Träume gefunden hatte. Er hatte auch noch nie davon gehört, dass englische junge Damen reifen Herren Heiratsanträge machen.
    Sie sah ihm gerade in die Augen, und er versuchte darin zu lesen, welche Antwort sie erwartete.
    «Nun, Mademoiselle», stotterte er, «Euer Vater hat tatsächlich daran gedacht. Es ist mir eine große Ehre, und wer könnte mein Haus mehr schmücken als Ihr. Aber so eine Entscheidung …»
    «Wie recht Ihr habt», sagte sie mit ernstem Nicken, «eine Entscheidung für alle Tage, für das ganze Leben. Eine sehr schwere Entscheidung. Ich will sie Euch abnehmen. Ich schätze Euch sehr, denn Ihr seid liebenswürdig und klug. Jede Frau wird Euch gerne anschauen. Und Euer Haar», fuhr sie fort, als preise sie die Vorzüge eines neuen Pferdes, «ist sehr schön, noch ganz voll und fast ohne Grau. Aber ich werde Euch nicht heiraten.»
    Claes starrte die junge Frau verblüfft an.
    «Ihr könntet wenigstens ein kleines Bedauern zeigen, Monsieur. Euer Gesicht verrät Erleichterung.»
    «Mademoiselle, Ihr schmeichelt mir heftig, aber vor allem erstaunt Ihr mich viel zu sehr, als dass ich überhaupt etwas zeigen könnte. Natürlich bedauere ich …»
    «Vergesst für einen Moment die höflichen Floskeln, Monsieur, und vergesst auch, dass ich ein Mädchen bin.»
    Sie lächelte breit, und ihr strahlender Blick löste alle Anstrengung des Verhaltens.
    «Lasst uns miteinander reden wie zwei Kaufleute, denn eine Ehe mit mir wäre für Euch doch zuallererst ein Handel. Ich liebe meinen Vater sehr, und ich bemühe mich um Gehorsam.» Eine kleine Falte wuchs über ihrer Nasenwurzel. «Das ist nicht immer leicht, wie Ihr bei einigem Nachdenken verstehen werdet. Nehmt zum Beispiel meinen Bruder. Er ist gerade zwölf Jahre alt und wird behandelt wie ein Mann. Ich bin siebzehn Jahre alt und werde behandelt wie ein Kind, das nicht weiß, was gut für sein Leben ist. Auch Ihr behandelt mich wie ein Kind.»
    Sie legte vertraulich ihre Hand auf seinen Arm und sah ihn mit schmelzendem Lächeln an. «Natürlich wäre ein Leben an Eurer Seite ein gutes Leben. Aber liebt Ihr mich?»
    Claes holte tief Luft. «Nun, die Liebe ist eine Sache des Bemühens und der Gewohnheit.» Er begann, diese ungewöhnliche Unterhaltung amüsant zu finden. «Wenn sie uns überfällt wie ein Gewitterregen, ist sie nichts als ein Rausch, der bald vergeht. Sie kann aber wachsen, wenn zwei Menschen …»
    «Ihr redet wie meine Gouvernante, die zu meinem und ihrem Glück schon seit einem Jahr anderen Mädchen weise Vorträge hält», unterbrach sie ihn mit einer ungeduldigen Handbewegung. «Habt Ihr je geliebt, Monsieur? Wirklich geliebt?»
    «Ich glaube, Mademoiselle, das tut hier nichts zur Sache», sagte Claes, der langsam begriff. «Sicher scheint mir, dass Ihr liebt. Und ganz bestimmt nicht mich.»
    «Ja, ich liebe. Und ich werde den, den ich liebe, heiraten. Niemand sonst. Lieber will ich sterben, als die Frau eines anderen zu werden. Oh, Monsieur, könnt Ihr mich nicht verstehen?»
    «Emily», sagte Claes lachend, «erst jetzt begreife ich, dass es ein Fehler war, nicht entschiedener um
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