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Tod am Laacher See

Tod am Laacher See

Titel: Tod am Laacher See
Autoren: Hans Juergen Sittig
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weil sein Vater von der
Mayener Polizei zum damals noch in Koblenz befindlichen Landeskriminalamt
gewechselt hatte. In der Stadt an Rhein und Mosel hatte Wärmland dann später
das Görres-Gymnasium besucht, auf dem inzwischen auch sein Sohn Stefan war. Zu
seiner Zeit hatte die zwischen der Schule und der Mosel gelegene Altstadt noch
als ziemlich verrucht und wenig anziehend gegolten. Mittlerweile aber war aus
diesem ältesten Teil der Stadt vor dem Deutschen Eck ein attraktives,
gastfreundliches und äußerst beliebtes Viertel geworden.
    Er hatte Glück und fand überraschenderweise in der Casinostraße
einen Parkplatz.
    Als er im Freien stand, schaute er sich zunächst einmal um. In nur
dreihundert Metern Entfernung lag sein altes Gymnasium, das ihm zumindest in
Teilen eine Schulzeit beschert hatte, wie sie in der »Feuerzangenbowle«
verewigt war, einem seiner liebsten Spielfilme. Das Görres war ein
altsprachlich-humanistisches Gymnasium, auf dem die Schüler damals schon in der
Sexta mit Latein begonnen hatten. Ist lange her, dachte Wärmland, während er
sich in Bewegung setzte und der Casinostraße in Richtung Norden folgte. Er rief
sich die Gesichter einiger Lehrer ins Gedächtnis. Da waren der Lateinlehrer
Jacobs und der Deutschlehrer Winkler, dessen damals noch sehr junger Sohn als
Sportlehrer tätig gewesen war. Und der Geografielehrer Haspel. Der hatte
Wärmland mal ziemlich in Verlegenheit gebracht, als er denjenigen Schülern, die
die richtige Antwort auf eine Geografiefrage zur Ostseeküste wussten, als
Belohnung in Aussicht stellte, ihn, den Lehrer, duzen zu dürfen.
Unglücklicherweise hatte nur Wärmland die richtige Antwort gewusst. Seinen
»Preis« hatte er natürlich nie in Anspruch genommen. Damals waren die meisten
Pauker noch Respektspersonen gewesen. Wie sich das doch geändert hatte. Was man
heute so hörte, ergab ein ganz anderes Bild. Die meisten Schüler hatten nur
noch vor sehr wenigen Lehrern wirklichen Respekt. Das hatte Stefan seiner
Mutter und ihm immer wieder mit Beispielen belegt.
    Als er die Clemensstraße erreichte, bog Wärmland nach Westen ab.
Sein Ziel war die Löhrstraße, die größte Fußgängerzone der Stadt. Links von ihm
lag jetzt der Bereich des ehemaligen Zentralplatzes, auf dem sie früher mit
Tennisbällen Fußball gespielt hatten. Aber die große Freifläche von damals gab
es nicht mehr, denn hier war im Laufe des vergangenen Sommers das »Forum
Mittelrhein«, ein Kultur- und Einkaufszentrum, fertiggestellt worden. Wärmland
überquerte die Görgenstraße und ging weiter bis zur Löhrstraße, die in der
nördlichen Altstadt am Plan begann und bis zum Hauptbahnhof führte. Von den
vierhundert Metern, die als reine Fußgängerzone ausgewiesen waren, hatte
Wärmland jetzt linker Hand das mit dreihundert Metern längste Teilstück vor
sich. Hier fand sich eine bunte Mischung aus Einzelhandelsgeschäften und
Boutiquen der Art, wie man sie in einer Großstadt erwartete. Wärmland ließ
seinen Blick über die Auslagen schweifen. Als er ein Tchibo-Geschäft erreichte,
blieb er sogar stehen und prüfte die Angebote. Die hatten immer wieder mal
interessante Sachen, die gar nichts mit Kaffee zu tun hatten. Wie dieses Paar
wasserdichte Wanderschuhe, das jetzt Wärmlands Aufmerksamkeit erregte. Sie
machten einen ordentlichen Eindruck. Wärmland zog in Erwägung, hineinzugehen
und sie anzuprobieren, da verfing sich ein hauchzarter, verführerischer Duft in
seiner Nase. Wärmland kannte diesen Duft. Er war sicher, ihm schon einmal
irgendwo begegnet zu sein. In der nächsten Sekunde wusste er auch wieder, wo:
bei der Frau, der er im vergangenen Jahr bei diesem schrecklichen
Motorradunfall begegnet war. Sie hatte sich später als Krankenschwester zu
erkennen gegeben. Damals hatte er diesen unbekannten Duft ihres verführerischen
Parfums zum ersten Mal wahrgenommen. Sie hatten sich gemeinsam über das Opfer
gebeugt, und Wärmland hatte für einen kurzen Augenblick den Schrecken des
Unfalls vergessen, als er ihren Duft gerochen und ihre Weiblichkeit gespürt
hatte. Es war nur ein kurzer Moment der Irritation gewesen, der ihm wie ein
flüchtiger Blick in eine andere Realität vorgekommen war. Eine Realität von
Zweisamkeit und Nähe. Bis die Umstände ihrer Begegnung wieder in sein
Bewusstsein gedrungen waren.
    Er drehte den Kopf leicht nach links. Und da stand sie tatsächlich.
Es gab keinen Zweifel. Sie stand direkt neben ihm und musterte ebenfalls diese
Wanderschuhe. Sie hatte ihn
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