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Tod am Laacher See

Tod am Laacher See

Titel: Tod am Laacher See
Autoren: Hans Juergen Sittig
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reichen, um herauszufinden, ob man seine Kinder liebt und
noch für sie da sein will.«
    Wärmland betrachtete sie aufmerksam. Sein Herz hatte sich schon ein
wenig für sie geöffnet, aber er fühlte auch eine Unsicherheit. Der aus seiner
Sicht forsche Beginn, als er sie einfach so angesprochen hatte, war eine Sache
gewesen. Aber jetzt war eine neue Situation entstanden. Ihr Gespräch hatte an
Tiefe gewonnen, und er fühlte seine anfängliche Sicherheit und Souveränität
schwinden. Diese Frau hatte etwas in ihm ausgelöst. Sie war ein realer Mensch,
sogar eine wirklich attraktive Frau, die in ihm eine Vision von Nähe,
Zärtlichkeit und Sex entstehen ließ. Alles, wonach er sich mit seinen gerade
mal achtundvierzig Jahren immer noch inständig sehnte. Ihr Parfum hatte diese
Sehnsucht schon an jenem Tag geweckt, als sie sich zum ersten Mal begegnet
waren. Wärmland glaubte nicht an Zufälle, also musste diese zweite Begegnung
eine tiefere Bedeutung haben. Er war sich aber auch bewusst, dass es nicht gut
wäre, wenn er jetzt zu schnell die Kontrolle über seine Gefühle verlor. Denn
noch war der Vater ihrer Töchter ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens.
Wärmland musste sich daher bremsen, um nicht Gefahr zu laufen, am Ende mit
einem gebrochenen Herzen dazustehen.
    »Glauben Sie nicht, dass Ihr Mann in absehbarer Zeit doch noch
erkennen wird, dass er einen Fehler begangen hat, und zurückkommt?«
    Sie schaute Wärmland direkt in die Augen. »Nein, das glaube ich
eigentlich nicht mehr. Es ist schon so viel Zeit vergangen.« Nach einer kurzen
Pause fügte sie hinzu: »Wissen kann man es natürlich nicht. Es soll ja auch
Männer geben, die selbst nach längerer Zeit reumütig wieder zurückkehren oder
es zumindest versuchen. Aber ob das bei ihm der Fall sein wird?« Sie zuckte mit
den Schultern. »Früher habe ich einmal gedacht, dass ich meinen Mann ganz genau
kenne. Inzwischen traue ich ihm alles Mögliche zu. Vielleicht steht er morgen
vor der Tür und spricht davon, dass er mal eine Auszeit brauchte, um sich über
alles klar zu werden. Ganz so, wie Sie es gesagt haben.«
    »Darf ich fragen, was Ihr Mann beruflich macht?«
    »Er arbeitet als Chemie-Ingenieur für eine hiesige Pharmafirma. Die
packen pflanzliche Stoffe und Essenzen in Dragees oder in Kapseln.
Johanniskraut-Extrakt zum Beispiel. Das liefern sie dann an die eigentliche
Firma, deren Name auf der Arzneimittelpackung steht.«
    »Demnach sind Sie sich wohl bei einem Fortbildungsseminar des
Pharmakonzerns für medizinisches Personal begegnet?«, mutmaßte Wärmland.
    »Nein, ganz und gar nicht. Sie werden es nicht glauben, aber es war
ein Unfall, der uns zusammengebracht hat.«
    »Oh«, meinte Wärmland betroffen. Er dachte an die schreckliche
Szene, bei der sie sich zum ersten Mal begegnet waren. »Das war hoffentlich
nicht so etwas wie bei uns, sondern gewissermaßen ein ›guter‹ Unfall, bei dem
niemand zu Schaden kam.«
    »In diesem Fall kann man das wirklich sagen. Es war nur ein kleiner
Blechschaden. Er ist mir in Paris hinten auf den Wagen aufgefahren. Ein
leichter Zusammenstoß mit großen Folgen.«
    »Ja, so ist das Leben manchmal«, sagte Wärmland, als habe er eben zu
einer Weisheit gefunden. »Es kommt ganz unscheinbar daher, und plötzlich
entsteht etwas Großes.«
    »Oh ja«, pflichtete sie ihm bei. »Noch an diesem Unfalltag in Paris
bin ich schwanger geworden. Und drei Monate danach haben wir geheiratet. Es war
etwas Großes.«
    Wärmland spürte, wie sie den Gedanken an die schönen Dinge nachhing,
dies sie mit ihrem Mann erlebt hatte. Jetzt hatte er seine Unbefangenheit
wirklich verloren. Natürlich war sie nach nur sechs Monaten emotional noch
immer an ihren Mann gebunden. Für ihn war es daher an der Zeit, sich
zurückzuziehen. Das hier war kein Film, in dem er als Held ein angemessenes
Happy End erwarten durfte. Egal, wie bezaubernd sie war, wenn sie lächelte.
    Er nickte verständnisvoll. »Und weil es etwas Großes war, können Sie
sicher immer noch damit rechnen, dass er sich besinnt und wieder zurückkommt.«
Es auszusprechen machte ihn traurig, doch besser hätte es Dr. Sommer von
dieser bekannten Jugendzeitschrift auch nicht formulieren können.
    »Das ist nett, dass Sie das sagen«, antwortete sie. »Aber wir reden
die ganze Zeit nur über mich, dabei würde ich auch gern etwas mehr über Ihr
Leben erfahren.«
    »Bei mir ist alles in Ordnung. Meine Kollegen tragen mich auf
Händen, zum Kuscheln hab ich einen alten Nachbarn und
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