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Tochter Der Traumdiebe

Tochter Der Traumdiebe

Titel: Tochter Der Traumdiebe
Autoren: Michael Moorcock
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um ihn mit einem Dienstwagen samt Fahrer und Adjutant auszustatten, und sein Auftreten verriet mir, dass er in irgendeiner Weise im Dienst der Nazis unterwegs war. Ich konnte nur glauben, was meine Augen mir zeigten, und meinen Verstand benutzen. War Gaynor etwa geschickt worden, um auch mich anzuwerben?
    Oder vielleicht, so überlegte ich, vielleicht hatte man ihn auch geschickt, um mich zu töten. Aber die Logik sagte mir, dass es viel bessere Gelegenheiten dazu gegeben hätte, als sich bei mir zum Essen einzuladen. Die Nazis hatten gewiss keine großen Hemmungen, ihre Gegner zu ermorden und sie hatten es erst recht nicht nötig, besonders verstohlen vorzugehen.
    Ich brauchte frische Luft und schlug vor, auf die Terrasse hinauszugehen. Das Mondlicht malte uns eine atemberaubende Kulisse.
    Unvermittelt schlug er vor, seinen Adjutanten, Leutnant Klosterheim, hinzuzuziehen. »Er reagiert etwas empfindlich, wenn er sich ausgeschlossen fühlt, und soweit ich weiß, hat er gute Beziehungen zur Umgebung von Goebbels’ Frau. Eine alte Familie aus den Bergen, die alle Ehrentitel zurückwies und aus Stolz im Stand einfacher Leute blieb. Seine Familie besitzt im Harz seit tausend Jahren eine Art Festung. Sie sahen sich als Freisassen im Gebirge, doch ich vermute, dass sie sich während des größten Teils ihrer Geschichte eher als Wegelagerer betätigt haben. Er hat auch in der Kirche einige Verwandte.«
    Das war mir mittlerweile herzlich gleichgültig. Gaynors Gesellschaft verdross mich zunehmend und es fiel mir immer schwerer, darauf Rücksicht zu nehmen, dass er mein Gast war. Vielleicht konnte Klosterheims Gegenwart die Situation entspannen.
    Diese Hoffnung fand ein jähes Ende, als der leichenhafte, asketische Mann in seiner eng sitzenden SS-Uniform auf die Terrasse kam. Die Mütze hatte er sich unter den Arm geklemmt, der Atem dampfte und schien dabei kälter als die umgebende Luft. Ich entschuldigte mich für meine Unhöflichkeit und lud ihn ein, etwas mit uns zu trinken. Er winkte mit einer Taschenbuchausgabe von Mein Kampfund sagte, er hätte in seinem Zimmer reichlich zu tun. Ich hielt ihn für einen Fanatiker und fühlte mich in vielerlei Hinsicht an seinen neurotischen Führer erinnert. Gaynor ging beinahe unterwürfig mit ihm um.
    Klosterheim ließ sich zu einem kleinen Glas Benediktiner überreden. Als ich es ihm reichte, redete er über meine Schulter hinweg mit Gaynor. »Haben Sie ihm schon den Vorschlag unterbreitet, Hauptmann von Minct?«
    Gaynor lachte, es klang etwas verkrampft. Ich drehte mich um und wollte ihn fragen, aber er hob die Hand. »Eine Kleinigkeit nur, Vetter, die wir jederzeit besprechen können. Leutnant Klosterheim ist sehr direkt und zielstrebig, aber manchmal fehlt es ihm am feinen Schliff.«
    »Wir in Klosterheim legen auf feines Benehmen keinen großen Wert«, gab der Leutnant ernst zurück. »Wir haben keine Zeit, unsere feinen Manieren zu schulen, denn unser Leben ist hart und ständig in Gefahr. Wir haben seit Anbeginn der Zeit unsere Grenzen verteidigt und wir halten uns an die alten Traditionen. Wir haben unsere trotzigen Festungen, unseren Stolz und unsere Abgeschiedenheit.«
    Ich deutete an, dass der moderne Tourismus seinen Angehörigen sehr willkommen sein und eine Verbesserung ihrer Situation darstellen oder ihnen wenigstens etwas Erleichterung in ihrem schweren Los verschaffen könnte. Hat man eine Busladung Bayern durchs Schloss geführt, so kann man für eine Woche die Beine hochlegen. Ich hätte es in Bek genauso gemacht, aber leider besaß ich an Sehenswürdigkeiten lediglich ein berühmtes Bauernhaus. Ich wusste nicht, was diese ironischen Anwandlungen in mir auslöste. Vielleicht war es eine Reaktion auf Klosterheims verkniffene Nüchternheit. In seinen Augenwinkeln entstand ein unangenehmes Funkeln, das aber sofort wieder verschwand.
    »Das könnte sein«, sagte er. »Ja, das würde uns vielleicht ein leichtes Leben verschaffen.« Er trank seinen Benediktiner aus und machte einen linkischen Versuch, das Thema zu wechseln. »Aber Hauptmann von Minct ist meines Wissens hergekommen, um Ihnen eine Last abzunehmen, Herr Graf.«
    »Ich trage keine Last, die man mir abnehmen müsste«, erwiderte ich.
    »Aus Verantwortungsbewusstsein. Aus Mitgefühl.« Gaynor übte sich auf einmal in übertriebener Aufmerksamkeit. Klosterheim hatte keine Hemmungen, mir zwischen den Zeilen zu drohen, aber Gaynor wollte meine Billigung gewinnen.
    »Du weißt, dass ich wenig Wert auf unsere
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