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Tochter Der Traumdiebe

Tochter Der Traumdiebe

Titel: Tochter Der Traumdiebe
Autoren: Michael Moorcock
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überkommenen Erbstücke lege«, antwortete ich. »Abgesehen von den Dingen, die zum persönlichen Besitz der Familie gehören. Gibt es irgendetwas, das du haben willst?«
    »Erinnerst du dich an das alte Schwert, mit dem du gespielt hast, bevor du in den Krieg gezogen bist? Das vor Alter geschwärzte Schwert? Es muss mittlerweile völlig verrostet sein, genau wie von Asch, dein alter Lehrer. Was hast du mit dem alten Schwert getan? Es verschenkt? Verkauft? Oder bewahrst du es als Erinnerungsstück auf?«
    »Wahrscheinlich sprichst du vom Schwert Rabenbrand, Vetter.«
    »Genau, Vetter. Rabenbrand. Ich hatte ganz vergessen, dass du ihm einen Kosenamen gegeben hast.«
    »Es hat nie einen anderen Namen getragen. Es ist so alt wie unsere Familie. Es wird mit allerhand unsinnigen Legenden in Verbindung gebracht, aber Beweise gibt es nicht. Die üblichen Geschichten eben, die wir erfinden, damit wir den wechselnden Generationen der Bauern interessant erscheinen. Geschichten über Gespenster und einen alten Schatz. Kein Antiquar und kein echter Historiker würde solchen Legenden Glauben schenken. Sie sind ebenso verbreitet wie unglaubwürdig.« Ich war ein wenig beunruhigt. Er war doch hoffentlich nicht gekommen, um uns unsere ältesten Schätze, unsere Verantwortlichkeiten und unser Erbe zu nehmen? »Doch soweit ich weiß, hat es nur einen geringen materiellen Wert. Onkel Rudi hat einmal versucht, es zu verkaufen. Bis nach Mirenburg ist er gefahren, um es schätzen zu lassen. Er kehrte sehr enttäuscht zurück.«
    »Erst als Paar sind sie wirklich wertvoll«, erklärte Klosterheim beinahe belustigt. Sein Mund zuckte leicht, vielleicht lächelte er. »Wenn es neben seinem Zwillingsbruder liegt. Neben dem Gegengewicht.«
    Klosterheim war nicht ganz bei der Sache. Seine Bemerkungen hatten kaum etwas mit dem Gespräch zu tun, als sei sein Verstand unterdessen mit ganz anderen, kälteren Gedanken beschäftigt. Es schien mir einfacher, den Kommentar zu ignorieren, als Klosterheim um eine Erklärung zu bitten. Wie, um alles in der Welt, konnte ein Schwert ein ›Gegengewicht‹ haben? Wahrscheinlich war er einer dieser mystisch orientierten Nazis. Es war ein seltsames Phänomen, das ich mehr als einmal beobachten konnte: diese Verbindung zwischen der Faszination für das Numinose und Übernatürliche und die Vorliebe für rechtsextremistische Politik. Richtig verstehen konnte ich es nie, aber viele Nazis, darunter Hitler und Heß, hatten sich in derlei Dinge vertieft, die zweifellos so wenig rational begründet waren wie ihr Rassismus. Dunkle Abstraktionen, die, wenn sie aufs reale Leben übertragen wurden, die banalsten Grausamkeiten hervorriefen.
    »Spiele nicht die Leistungen deiner Familie herunter.« Gaynor wollte mich an die Siege unserer frühen Vorfahren erinnern. »Ihr habt Deutschland einige berühmte Soldaten geschenkt.«
    »Und ein paar Banditen und Radikale dazu.«
    »Und einige, die von jedem etwas waren«, sagte Gaynor, immer noch munter wie ein Wegelagerer auf dem Schafott. Aber nur äußerlich.
    »Ihr Namensvetter beispielsweise«, murmelte Klosterheim. Die paar Worte reichten offenbar aus, um die Nachtluft merklich abzukühlen.
    »Wie bitte?«
    Klosterheims Stimme schien im Mund zu hallen. »Derjenige, der den Gral gesucht und gefunden hat. Der Ihrer Familie den alten Wahlspruch gab.«
    Ich tat die Bemerkung mit einem Achselzucken ab und schlug vor, wieder ins Haus zu gehen. Im Kamin brannte ein Feuer und ich verspürte eine ungewohnte Anwandlung von Heimweh, als ich mich an die schönen Weihnachtsfeste erinnerte, die wir in der Familie verlebt hatten, wie nur Sachsen ihr Julfest feiern können. Damals, als mein Vater und meine Mutter und alle meine Brüder noch lebten und vom Castle Auchy in Schottland, aus Mirenburg und Frankreich und Amerika Freunde und entfernte Verwandte kamen, um diese Zeit der Behaglichkeit und des Wohlbefindens mit uns zu verbringen. Der Krieg hatte all das zerstört. Jetzt stand ich vor verkohltem Eichenholz und Schieferplatten und sah zu, wie der Rauch von einem spuckenden unglücklichen Feuer aufstieg und hatte Mühe, meine guten Manieren nicht zu vergessen, während ich zwei Herren in Schwarz und Silber zu Gast hatte, die, dessen war ich jetzt sicher, gekommen waren, um mir mein Schwert wegzunehmen.
    »So tu des Teufels Werk«, las Klosterheim vom Wappen ab, das über dem Kamin eingelassen war. Ich hielt das Ding für geschmacklos und hätte es längst entfernen lassen, wenn dies
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