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TKKG 073 - Hilflos in eisiger Nacht

TKKG 073 - Hilflos in eisiger Nacht

Titel: TKKG 073 - Hilflos in eisiger Nacht
Autoren: Stefan Wolf
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Kopf und fühlte sich wie Mitte Zwanzig.
    "Um auf meinen journalistischen Auftrag zurückzukommen", sagte er, "was war, wenn ich fragen darf, der Grund Ihres Weges hierher?"
    "Der Brief. Onkel Roberts letzter Brief."
    "Ein Brief", stellte Tim fest. Tja, den hatte sie aus der Tasche genommen.
    "Der Brief war versiegelt", erklärte sie. "Ich weiß nicht, was drin steht. Adressiert ist er an Herrn Kurt Selbig, Frustel-Weg 21. Eben habe ich ihn abgeliefert, den Brief. Onkel Robert hat ihn wohl eine ganze Weile vor seinem Ende geschrieben. Mir ist nicht bekannt, wann. Jedenfalls fand ich den Brief in seinem Nachlas - mit einem angehefteten Zettel, er, der Brief, sei Herrn Selbig zuzustellen - im Falle eines Falles.
    Also eine testamentarische Anordnung meines Onkels. Der bin ich gefolgt."
    "Verstehe!" nickte Tim. "Kannten sich Ihr Onkel und Herr Selbig?"
    "Ja. Aber das liegt Jahre zurück. Damals wohnten wir nämlich hier. Das Nachbarhaus - Nummer 19 - da haben Onkel und ich gelebt bis ich... ja, bis zu meinem 17. Geburtstag. Am nächsten Tag sind wir weggezogen. Jetzt bin ich 22."
    "Dann wurde Ihnen wohl eben ganz warm ums Herz."
    Sie lachte. "Eigentlich nicht. Ich habe nicht gern hier gewohnt. Onkel Robert hatte gespart, eine kleine Erbschaft gemacht und dann das Haus gekauft in der Zündhofener Allee. Dort fühle ich mich wohl. Auch jetzt noch. Obwohl so vieles an meinen Onkel erinnert."
    "Haben Sie eine spezielle Erinnerung an diesen Herrn Selbig?"
    Wieder lachte sie. "Du versuchst wirklich, Fakten zusammenzukriegen für deine Geschichte." Kurzes Nachdenken. Dann: "Wenig. Ich erinnere mich nur, dass ich ihn nicht mochte. Aber das erwähn bitte nicht!"
    "Mit keiner Silbe."
    Tim fragte noch dieses und jenes. Martina antwortete bereitwillig. Aber aus der Quelle war nichts mehr zu schöpfen. Er fragte, ob er ein Foto machen dürfe. Erst wollte O-eins nicht. Aber er überredete sie, vertraute auf den elektronischen Belichtungsmesser und knipste die lächelnde Martina aus der Nähe.
    "Die nächste Ausgabe unserer Zeitung erscheint in drei Wochen", erklärte er. "Dann schicken wir Ihnen ein Exemplar."
    "Darüber würde ich mich freuen."
    Sie gab ihm ihre Adresse.

Gossensprache
     
    Irgendwie war ihm die Ausbeute zu gering. Jedenfalls für den OBSERVER-Kulturteil und überhaupt. Doch vielleicht öffnete der Brief die Tür zu einer sensationellen Geschichte, die zwar Bestandteil des Alltags war, aber trotzdem die Nerven zerfetzte.
    Tim hatte sich von Martina verabschiedet und machte kehrt. Ein zweites Interview sollte sich anschließen.
    Ein Foto von Gaulgesicht würde den Kulturteil beleben, obwohl der Typ aussah, als hätte er ein Theater noch nie von innen gesehen oder ein Kino für Anspruchsvolle.
    Frustel-Weg 21.
    Tim ging durch die Pforte zur Haustür. An der Klingel war der Druckknopf zum Teil herausgebrochen. Ein Draht, der sicherlich unter Strom stand, wurde sichtbar.
    Auch 'ne Methode, dachte Tim, um sich nicht stören zu lassen.
    Er klingelte vorsichtig.
    Nach einer Weile wurde geöffnet, und er konnte Kurt ,Gaulgesicht' Selbig aus der Nähe bewundern. Das Gesicht blieb pferdig wie beim ersten Eindruck aus der Ferne, aber die Augen waren schlimmer, nämlich die eines bösen Menschen: kalt, grau und ablehnend.
    "Herr Selbig?" fragte Tim.
    Der Mann nickte. Der TKKG-Häuptling stellte sich vor und schloss sofort daran an, dass er kein Hausierer sei, also nichts verkaufen wolle und auch nicht werbe für Zeitschriften-Abonnements oder dubiose Vereine.
    "Ich bin Chefreporter der Schülerzeitung Observer. Und wir... "
    Er erklärte so kurz und knapp wie möglich - und fühlte sich unbehaglich dabei, denn Selbig war ein Typ, mit
    dem sich offensichtlich nicht reden ließ. Einer, der null Verständnis hat für phantasiereiche Jugendliche mit rattenscharfen Ideen.
    "Und?" fragte Selbig sodann. "Was willst du?"
    "Der Brief, den Ihnen Fräulein Paulmann gebracht hat, ist sicherlich die Pointe zu meiner Geschichte: sozusagen die Vanillesoße auf der roten Grütze."
    "Was?"
    "Wären Sie bereit, über das zu sprechen, was Ihnen der verstorbene Sprengmeister, Ihr ehemaliger Nachbar, mitgeteilt hat - als posthume, also nach dem Tode zu übermittelnde Nachricht."
    "Hat dir jemand ins Gehirn gekackt?" fragte Selbig.
    Ich hätte es wissen müssen, dachte Tim mit innerem Seufzen. Der wird mir nichts sagen. Aber so schnell gebe ich nicht auf.
    "Nein", erwiderte er freundlich. "Dagegen hätte ich was. Ich meine doch nur: Ist der
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